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Biologie

Mausmakis sind schlauer als gedacht

Halbaffen besitzen gleiche räumliche Planungsfähigkeiten wie Menschenaffen oder Elefanten

Grauer Mausmaki (Microcebus murinus) © M. Joly, TiHo

Elefanten können es und Menschenaffen auch: Sie merken sich die Lage von Futterstellen und suchen sie geplant auf, wenn sie fressen wollen. Jetzt aber haben Forscher entdeckt, dass eine weitere Tierart diese vermeintliche Domäne von großhirnigen und in komplexen Sozialgefügen lebenden Tieren erobert hat: der Mausmaki. Trotz ihres kleinen Gehirns verfügen diese Halbaffen bei der Nahrungssuche über erstaunlich gute räumliche Planungsfähigkeit, das belegt eine jetzt in „Biology Letters“ veröffentlichte Studie.

Tiere, die höhere kognitive Leistungen erbringen und beispielsweise in der Lage sind, sich weit verstreute Nahrungsquellen zu merken, verfügen in der Regel, bezogen auf ihre Körpergröße, über ein großes Hirnvolumen und leben in komplexen Sozialsystemen. Gute Beispiele für diese Beobachtung sind Elefanten oder Menschenaffen. Während ihrer Suche nach lebensnotwendigen Ressourcen speichern sie die Positionen von verschiedenen, weit entfernten Wasserstellen oder Fruchtbäumen im Gedächtnis und merken sich dabei auch, wann die Ressourcen verfügbar sind. Dies versetzt sie in die Lage, ihre täglichen Wege effizient zu planen und unnötige Wege zu vermeiden.

Marine Joly und Elke Zimmermann aus dem Institut für Zoologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) haben jetzt festgestellt, dass auch Mausmakis – die weltweit kleinsten Primaten –diese räumlichen Planungsfähigkeiten entwickelt haben. Die nachtaktiven Mausmakis erreichen maximal eine Größe von 15 Zentimetern, gehören zu den stammesgeschichtlich ursprünglichen Primaten – den Halbaffen, besitzen ein kleines Gehirn und gehen allein auf Nahrungssuche.

Nachtaktive Halbaffen per GPS verfolgt

Für ihre Untersuchungen haben Joly und Zimmermann Weibchen des Grauen Mausmakis (Microcebus

murinus) im nordwestlichen Trockenwald Madagaskars im Ankarafantsika Nationalpark während zweier Trockenzeiten untersucht. Die Nahrungsquellen in den Trockenwaldgebieten Madagaskars sind nur zu bestimmten Zeiten verfügbar. In der nahrungsarmen Trockenzeit überleben die Mausmakis dort nur dank ihrer Fähigkeit, sich von Baumsäften und Sekreten, die Insektenlarven ausscheiden, zu ernähren. Diese Nahrungsressourcen sind immer stationär und deshalb vorhersehbar.

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Um die Nahrungssuchstrategien dieser Halbaffen zu erforschen, haben die Forscherinnen GPS-basierte radiotelemetrische Methoden eingesetzt und sieben Mausmakis mit einem Miniatursender versehen. Sie konnten so die geographische Position der Tiere und der Futterstellen, die Art der Futterstelle sowie das Verhalten der Tiere kontinuierlich dokumentieren. Die zurückgelegten nächtlichen Wanderstrecken jedes Tieres haben die Wissenschaftlerinnen mit dem Change Point Test analysiert, einem neuen mathematischen Verfahren. So konnten sie beispielsweise die Effektivität bei der Nahrungssuche modellieren oder ausschließen, dass die Mausmakis die Futterstellen zufällig gefunden haben.

Überraschend große ökologische Intelligenzleistung

Die Auswertungen belegen, dass sich Graue Mausmakis die Positionen verstreut liegender, ergiebiger Futterplätze tatsächlich merken und diese nach dem Verlassen des Schlafplatzes zielgerichtet aufsuchen können. Diese kognitiven Fähigkeiten wurden bisher ausschließlich Tieren mit großen Gehirnen und komplexem Sozialsystem zugeschrieben, wie etwa Elefanten und Menschenaffen.

„Wir waren überrascht bei ihnen dieselben räumlichen Planungsfähigkeiten zu entdecken wie sie für Elefanten, Menschenaffen und andere höhere Primatenarten bereits beschrieben sind. Mausmakis eröffnen uns damit ein neues Bild der ökologischen Intelligenzleistungen unserer frühen Primatenvorfahren“, erklärt Joly. „Wir vermuten, dass ökologische Zwänge unabhängig von der Hirngröße und der Sozialität die Evolution der ökologischen Intelligenz von Tieren beeinflusst haben.“

Zimmermann ergänzt: „Die Evolution des planvollen Handelns beim Umgang mit ökologischen Ressourcen ist anscheinend nicht, wie bisher angenommen, eine Folge von Gehirnvolumen und einem hoch entwickelten Sozialsystem, sondern eine Anpassung an ökologische Probleme, wie zum Beispiel die effiziente Nahrungssuche. Ökologische und soziale Intelligenz und die zu Grunde liegenden

Verarbeitungssysteme im Gehirn sind demzufolge in der Evolution unabhängig voneinander entstanden. Mausmakis als ursprüngliche Primaten vermitteln uns damit interessante neue Einblicke in die biologischen Wurzeln unserer eigenen kognitiven Fähigkeiten“.

(Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, 28.04.2011 – NPO)

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