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Geowissen

Sauerstoff soll tote Meeresböden reanimieren

Ostsee: Sauerstoffanreicherung in 120 Meter Tiefe geplant

Mit Windkraft angetriebene Pumpe © Anders Stigebrandt

Eine Sauerstoffanreicherung in 120 Meter Tiefe kann tote Meeresböden in der Ostsee zum Leben erwecken – damit entstehen gute Voraussetzungen für neue Ökosysteme, die der Natur die Möglichkeit geben, die durch Überdüngung ausgelösten Probleme selbst zu lösen. Dies haben schwedische Wissenschaftler jetzt mit Hilfe von Pilotstudien in den Fjorden Byfjorden und Kanholmsfjärden belegt.

Darin konnten sie zeigen, wie effektiv es ist, mit Sauerstoff angereichertes Wasser zum Meeresboden zu pumpen. Nun starten Tests einer großen, mit Windkraft angetriebenen Pumpe auf der offenen Ostsee.

Überdüngung der Ostsee

„Heute sind alle darum bemüht, die Einleitung von Düngemitteln in das Meer zu verringern, um die Überdüngung der Ostsee in den Griff zu bekommen. Indem man jedoch der Natur hilft, sich selbst um das eingeleitete Phosphor zu kümmern, sind wir in der Lage, beim Kampf gegen die Überdüngung einen Turboeffekt zu erzielen“, unterstreicht Professor Emeritus Anders Stigebrandt vom Institut für Geowissenschaften der Göteborger Universität.

Die Idee, tote Meeresböden mit Sauerstoff anzureichern, ist der Natur selbst abgeschaut. Die Methode der Sauerstoffanreicherung tiefer Gewässerschichten der Ostsee lässt sich mit der Anlage von Feuchtgebieten an Land vergleichen. Beide Methoden verfolgen das Ziel, Voraussetzungen für Ökodienstleistungen zu schaffen, indem man neue Ökosysteme aufbaut, die Nährstoffe effektiv binden.

Neues Tierleben auf und im Meeresboden

„Wenn sauerstoffarme Böden der Ostsee gezielt mit Sauerstoff angereichert werden, kann man damit rechnen, dass jeder Quadratkilometer Meeresboden innerhalb kurzer Zeit fünf Tonnen Phosphor binden kann, und dies ist ein rein geochemischer Effekt“, so Stigebrandt.

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Wird dann die Sauerstoffanreicherung längere Zeit fortgesetzt, entsteht wieder Tierleben auf und im Meeresboden. „Dies führt dann dazu, dass die Bodensedimente in einer Tiefe von mehreren Zentimetern mit Sauerstoff versorgt werden, und das neue Ökosystem trägt vermutlich dazu bei, dass noch mehr Phosphor an das Sediment gebunden wird“, so der Geowissenschaftler weiter.

Pilotstudien in den Fjorden Byfjorden und Kanholmsfjärden

Im Rahmen des Forschungsprojektes „Baltic Deepwater Oxigenation“ wird unter Leitung von Stigebrandt die Hypothese geprüft, dass eine dauerhafte Sauerstoffanreicherung der tiefen Wasserschichten der Ostsee dazu führt, langfristig verstärkt Phosphor im Bodensediment zu binden. Eine wichtige Frage dabei ist, wie die sauerstoffangereicherten Tiefwasserschichten Phosphor auf längere Zeit fixieren.

Die Göteborger Forscher suchen mit Hilfe von Pilotstudien im Fjord Byfjorden an der schwedischen Westküste, im Kanholmsfjärden an der Ostsee sowie in Laborexperimenten nach Antworten. Außerdem prüfen sie, wie die sauerstoffangereicherten Meeresböden kolonisiert werden und wie dies die Phosphoraufnahme beeinflusst.

Windkraft treibt Pumpe an

Zurzeit plant Stigebrandt einen Versuch mit einer großen windkraftbetriebenen Pumpe im offenen Wasser der Ostsee. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Inocean AB, das die Pumpe auf Grundlage etablierter Technik der Off-Shore-Industrie konstruiert. Die fertige Pumpe bauen die Forscher später in eine 60 Meter hohe und 100 Meter tiefe rohrförmige Boje ein, die wiederum in einer offenen, noch nicht genauer bestimmten Tiefwasserposition vor der schwedischen Ostküste verankert wird.

„Die Pumpe soll die Kapazität haben, 30 Kubikmeter Wasser pro Sekunde zu pumpen. Das ist 14 Mal mehr als die Pumpe unseres Byfjord-Experiments. Funktioniert das, wird es kein Problem sein, eine fünf Mal größere Pumpe in eine circa 120 Meter tiefe Boje einzusetzen. Dies ist wiederum eine Größe, die unseres Erachtens erforderlich sein wird, um in einem groß angelegten System die Sauerstoffanreicherung der tiefen Wasserschichten der Ostsee sicherzustellen“, kommentiert Stigebrandt.

(University of Gothenburg, 21.04.2011 – DLO)

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