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Klima

Weg frei für Tests der Kohlendioxid-Speicherung

Gesetzesentwurf ermöglicht schrittweise Entwicklung der CCS-Technologie

CCS-Pilotkraftwerk Schwarze Pumpe © Vattenfall

Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der künftig die Erprobung und Demonstration von Kohlendioxidspeichern in Deutschland zulässt. Damit ist der Weg frei für eine schrittweise Entwicklung der umstrittenen Technologie zur CO2-Abscheidung und –Speicherung (CCS). Das CCS soll den CO2-Ausstoß besonders der Industrie verringern helfen, Umweltorganisationen verweisen aber auf die unbekannten langfristigen Risiken.

Bei der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Englisch: Carbon Dioxide Capture and Storage, CCS) wird Kohlendioxid an Kraftwerken und Industrieanlagen abgetrennt, damit es in tief liegenden Gesteinsschichten von der Atmosphäre abgeschlossen gespeichert werden kann. Mit dem jetzt beschlossenen Gesetzentwurf soll der Weg frei gemacht werden für ein schrittweises Vorgehen bei der weiteren Entwicklung solcher Technologien. Er lässt zunächst die Erprobung und Demonstration von einigen Kohlendioxidspeichern zu und sieht vor, dass der Entwicklungsstand der Technologien 2017 umfassend evaluiert wird. Die Länder können im Rahmen einer fachlichen Abwägung sowohl Gebiete ausweisen, in denen die CO2-Speicherung zulässig ist, als auch solche, in denen sie nicht zulässig ist. Damit soll der Gesetzentwurf den unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten gerecht werden und dazu beitragen, die Akzeptanz für CCS erhöhen.

„Durch die Möglichkeit einer Erprobung der CCS-Technologie öffnet Deutschland sich einer international beachteten Klimaschutzoption, die als Exportprodukt auch ökonomisch von großer Bedeutung sein kann“, erklärt Bundesumweltminister Norbert Röttgen in Berlin. „Der Gesetzentwurf ermöglicht die Erprobung am Maßstab höchster Umweltstandards und setzt eine umfassende Bürgerbeteiligung voraus. Über die Frage der großtechnischen Anwendung wird erst entschieden, wenn nach der Erprobungsphase die Unbedenklichkeit der CCS-Technologie nachgewiesen worden ist.“

CCS vor allem für CO2-intensive Industrien eine Option

Die Erprobung von CCS eröffnet nach Ansicht einiger Experten eine wichtige Perspektive für den Klimaschutz, vor allem für eine CO2-arme Industrieproduktion. Das ist gerade für den Industriestandort Deutschland von Bedeutung, da Stahlwerke und Chemieanlagen auch langfristig nicht ganz ohne CO2-Emissionen auskommen werden. Ungeachtet der beschleunigten Energiewende, dem beschleunigten Ausbau der Energieeffizienz und der Erneuerbaren Energien werden Kohlekraftwerke sowohl bei uns als auch weltweit noch auf längere Sicht eine Grundlage der Stromerzeugung bilden. CCS kann eine Lösung zur Reduktion der dabei entstehenden Emissionen sein. Die Technologie kann außerdem zur Reduktion von Treibhausgasen bei der Nutzung von Biomasse eingesetzt werden.

Umweltschutzorganisationen reagierten verhalten auf den Beschluss. Die so genannte CCS-Technologie solle allenfalls bei den in der Industrie unvermeidbaren Treibhausgasemissionen zum Einsatz kommen. „Unsere Stromversorgung können wir auch ohne CCS klimaverträglich umbauen“, kommentierte NABU- Bundesgeschäftsführer Leif Miller den Kabinettsbeschluss zum Gesetzentwurf. „Es gibt aber bislang noch keine Lösung, wie wir Zement oder Stahl klimaschonend herstellen oder durch weniger CO2-intensive Produkte ersetzen können.“ Für einen solchen Zweck könne die behutsame Erforschung der Technologie erforderlich sein. Daher sollte die Technik in Industrieanlagen statt in Kohlekraftwerken erprobt werden.

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Unkalkulierbare Risiken?

Der NABU warnte die Regierungskoalition davor, die Risiken von den Verursachern auf die Gesellschaft abzuwälzen. „Wer Treibhausgase ausstößt, muss auch für die Folgen gerade stehen. Falls die Emissionen durch CCS unter der Erde deponiert werden, müssen die Konzerne auch langfristig für mögliche Risiken haften“, forderte NABU-Energieexperte Elmar Große Ruse. Es dürfe nicht sein, dass die finanzielle Verantwortung für alle potenziellen Folgeschäden der CCS-Technologie nach gerade einmal 30 Jahren auf die Steuerzahler übergehe.

Deutlich entschiedener sprach sich der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen die CCS-Technologie und ihre unkalkulierbaren Risiken aus: Die Verpressung von Kohlendioxid in den Untergrund könne zur Versalzung des Grundwassers führen und die Trinkwasserversorgung vieler Kommunen und großer Ballungsräume wie Berlin, Hamburg oder auch München gefährden. Die hohen Drücke, die zur Verpressung des CO2 in die Tiefe erforderlich seien, könnten außerdem Leckagen oder Erdbeben verursachen. Entweichendes Kohlendioxid, das sich in Senken oder Tälern ansammeln könne, stelle eine große Gefahr für die Bevölkerung dar.

CO2-Endlager müssten zudem dauerhaft dicht sein, sonst hätten sie keinen Klima schützenden Effekt. Die Dichtigkeit könne jedoch weder die Wissenschaft noch die Industrie garantieren. Versicherungen seien ebenfalls nicht bereit, die Risiken von CCS abzusichern. Es wäre eine verhängnisvolle Fehlentscheidung, wenn zur Hochrisiko-Technologie Atomkraft noch die hochriskante CCS-Technologie hinzu komme, so der BUND in einem Kommentar zum Gesetzesentwurf.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle betonte demgegenüber den hohen Stellenwert der Sicherheit bei der Genehmigung von Demonstrationsprojekten: „Wir haben höchste Sicherheitsstandards im Gesetz verankert – zum Beispiel bei Fragen der Langzeitsicherheit, der Vor- und Nachsorge. Zentraler Maßstab für die Zulassung eines Demonstrationsspeichers ist der Nachweis der Langzeitsicherheit. Der Betreiber hat Vorsorge gegen Beeinträchtigungen von Mensch und Umwelt nach dem Stand von Wissenschaft und Technik, also dem höchsten Vorsorgestandard, zu treffen. Aktuelle Erkenntnisse muss er über den gesamten Prozess der dauerhaften Speicherung berücksichtigen. Das Gesetz verpflichtet zudem zu umfangreicher Deckungsvorsorge und Nachsorge.“

Schrittweises Vorgehen

Die Bundesregierung hat sich für ein schrittweises Vorgehen entschieden. Der Gesetzentwurf regelt im Bereich der CO2-Speicherung zunächst nur die Erprobung und Demonstration. Auch für die Zulassung der Demonstrationsspeicher ist eine breite Bürgerbeteiligung erforderlich. Damit soll den Besonderheiten der noch neuen Technologie und den Bedenken in der Bevölkerung Rechnung getragen werden. Über die Frage einer breiteren Einführung von CCS wird erst entschieden, wenn die Sicherheit der Speicherung ausreichend nachgewiesen worden ist. Das Gesetz soll im Jahr 2007 umfassend evaluiert werden. Hierzu erstellt die Bundesregierung einen Bericht an den Deutschen Bundestag. Nur, wenn der Bericht positiv ausfällt, kann es mit CCS weitergehen.

(BMU, BMWi, NABU, BUND, 14.04.2011 – NPO)

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