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Medizin

China: Unbekanntes Virus löst tödliche Epidemie aus

Bis zu 30 Prozent Mortalität durch von Zecken übertragene Virenkrankheit

SFTF-Viren, markiert durch Immunofluoreszenz © Yu et al / NEMJ

In Zentralchina grassiert seit einigen Jahren eine mysteriöse Epidemie, an der 30 Prozent der Erkrankten sterben. Erst jetzt hat ein internationales Forscherteam den Erreger mittels DNA-Analysen und Elektronenmikroskop dingfest gemacht: Wie die Forscher in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ berichten, handelt es sich um ein zuvor unbekanntes Virus, das von Zecken übertragen wird und hohes Fieber, Durchfall und Erbrechen auslöst.

Vor rund fünf Jahren begann sich eine mysteriöse Krankheit unter Bauern in Zentralchina auszubreiten: Immer mehr Menschen bekamen hohes Fieber, Durchfall, Erbrechen und ein erschreckend hoher Anteil von ihnen starb – die Mortalität lag nach ersten Berichten bei bis zu 30 Prozent. Forscher des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle und –prävention reisten sofort in das betroffene Gebiet, um den Ursprung der Krankheit und mögliche Gegenmaßnahmen zu ergründen.

Fahndung nach dem Erreger

Erste DNA-Analysen von Blutproben Erkrankter enthüllte, dass sie alle an einer bakteriellen Infektion zu leiden schienen, der so genannten humanen granulozytischen Anaplasmose. Ihr Erreger ist das, durch Zeckenbisse übertragene Bakterium Anaplasma phagocytophilum, das die weißen Blutkörperchen angreift, aber im Normalfall nur leichte bis grippeähnliche Symptome auslöst. Warum aber verlief die Infektion in China so tödlich. Um das herauszufinden, hat ein chinesisch-amerikanisches Forscherteam die Fälle im Jahr 2009 erneut genau untersucht – mit überraschendem Ergebnis.

„Wir haben erwartet eine bakterielle Infektion zu finden, die sich einfach unerwartet verhält – Anaplasmose hat in den US eine Todesrate von weniger als einem Prozent und erzeugt nur selten Bauchschmerzen, Erbrechen oder Durchfall”, erklärt Xue-Jie Yu, Infektionsmediziner von der Universität von Texas in Galveston. „Stattdessen fanden wir ein bisher unbekanntes Virus.“ In den Blutproben fanden sich entgegen der Erwartungen keinerlei Antikörper gegen die Anaplasmose. Und, noch auffallender: Serum von Patienten tötete auch dann noch Zellen in Kultur ab, nachdem es durch ein Bakterienfilter geschickt worden war.

Ähnlichkeiten mit Hantavirus

„Es war klar, dass wir da ein Virus haben mussten. Aber welches?“, so Yu, Hauptautor der Studie. Die genetischen Tests ergaben keinerlei Übereinstimmung mit bekannten Erregern. „Ich sagte meinen Mitarbeitern, dass sie noch vorsichtiger sein müssten als ohnehin schon, da wir hier mit einem Unbekannten arbeiten.”

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Die Vorsicht erwies sich als begründet: Wenig später zeigten Analysen von deaktivierten Viruspartikeln im Elektronenmikroskop, dass es Ähnlichkeiten mit der Gruppe der Hantaviren gab. Asiatische Stämme dieser Viren können hämorrhagische Fieber auslösen, in den USA ruft eine Unterart eine tödliche Lungeninfektion hervor. Doch als die Forscher den genetischen Code des unbekannten Virus weiter entschlüsselten, zeigten sich deutliche Abweichungen zum Hantavirus. Es handelte sich offensichtlich um eine bisher unbekannte Art.

Keine Übertragung von Mensch zu Mensch

Die Wissenschaftler haben dem Virus nun vorläufig den sperrigen Namen „Severe Fever with Thrombocytopenia Syndrome“-Virus (SFTF) verpasst und ihn in die Familie der so genannten Bunyaviridae eingeordnet. In dieser Gruppe finden sich auch Hantaviren und der Erreger des Rift Valley Fiebers. Die Analyse von 241 Patienten aus den chinesischen Provinzen Henan, Hubei, Shandong, Anhui, Jiangsu und Liaoning ergab bei 171 von ihnen Viren dieses Typs oder Antikörper gegen ihn, die Mortalität wurde auf zwölf Prozent berechnet.

„Es scheint sich hier um eine von Zecken übertragene Krankheit zu handeln und die Krankheit tritt daher auf, wenn auch die Zecken auftauchen, von Ende März bis Ende Juli”, so Yu. „Obwohl der Lebenszyklus noch nicht vollständig aufgeklärt ist, wissen wir glücklicherweise schon, dass der Mensch für das Virus eine Sackgasse darstellt – es gibt keine Übertragung von Mensch zu Mensch wie bei SARS.” (New England Journal of Medicine, 2011; DOI: 10.1056/NEJMoa1010095)

(University of Texas Medical Branch at Galveston, 24.03.2011 – NPO)

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