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Astronomie

Neuer Kandidat für kältesten Stern

Astronomen entdecken extrem kühles Pärchen Brauner Zwerge

Künstlerische Darstellung des neuentdeckten Doppelsystems © ESO/ L. Calçada

Astronomen haben das wahrscheinlich kühlste bislang bekannte sternartige Objekt entdeckt: einen Braunen Zwerg in einem Doppelsternsystem. Die Oberfläche des Objekts hat in etwa dieselbe Temperatur wie eine Tasse heißer Tee und ist damit zwar für menschliche Alltagsverhältnisse heiß, für Sterne aber außergewöhnlich kalt. Der Braune Zwerg liegt damit im Grenzgebiet zwischen kleinen und kühlen sternartigen Objekten und großen, heißen Planeten.

Braune Zwerge sind „gescheiterte Sterne“: Sie sind nicht massereich genug, um in ihrem Inneren eine Kernfusion zu starten und auf Dauer zu erhalten. Diese jedoch ist es, die den Sternen als Energiequelle dient und sie leuchten lässt. Braune Zwerge leige daher in der Grauzone zwischen „fast schon Stern“ und „nicht mehr Planet“. Jetzt hat ein internationales Astronomenteam mit Hilfe gleich dreier großer Observatorien einen Braunen Zwerg entdeckt, der so lichtschwach und kühl ist, dass er fast eher einem Planeten gleicht.

Doppelsystem zweier kalter Brauner Zwerge

Der Zwerg, getauft CFBDSIR 1458+10B, ist der lichtschwächere Partner in einem Doppelsystem aus zwei Braunen Zwergen in einer Entfernung von 75 Lichtjahren von der Erde. Die beiden Partner umkreisen einander in weniger als dem dreifachen Abstand Erde-Sonne und absolvieren eine Runde in etwa 30 Jahren. Als das System im letzten Jahr vom Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO erstmals entdeckt wurde, hielt man es zunächst für ein einziges Objekt. Messungen mit dem X-Shooter-Spektrografen am VLT zeigten, dass es eines der kühlsten bekannten Objekte war.

„Wir waren überrascht, als wir feststellten, dass dieses Objekt eine so geringe Temperatur besitzt. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir freilich noch nicht, dass es sich um ein Doppelsystem handelt, bei dem eine Komponente noch kühler und damit noch interessanter ist“, erzählt Philippe Delorme vom Institut für Planetenfoschung und Astrophysik in Grenoble (CNRS/Université Joseph Fourier. CFBDSIR 1458+10 ist damit das kühlste Doppelsystem Brauner Zwerge, das die heutige Astronomie kennt.

Das System CFBDSIR 1458+10, gesehen mit dem H-Band der Adaptiven Optik des Keck Teleskops © Michael Liu, et. al/ W.M. Keck Observatory

Temperatur einer Tasse Tee

Die Entdeckung, dass es sich bei CFBDSIR 1458+10 um ein Doppelsystem handelt, gelang mit der Adaptiven Optik am Keck-Teleskop auf Hawaii. Michael Liu vom Institut für Astronomie der Universität von Hawaii und sein Team nutzten dann das Canada–France–Hawaii Telescope, das sich ebenfalls auf Hawaii befindet, um die Entfernung des Pärchens von der Erde mit einer Infrarotkamera zu bestimmen. Weitere Temperaturmessungen mit dem VLT-Spektrografen enthülten, dass lichtschwächere der beiden Braunen Zwerge eine Oberflächentemperatur von nur etwa 100°C hat, entsprechend der Siedetemperatur von Wasser. Zum Vergleich: Die Oberflächentemperatur der Sonne beträgt etwa 5.500°C.

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„Bei so einer Temperatur erwartet man von einem Braunen Zwerg ganz andere Eigenschaften als von den bisher bekannten Vertretern dieser Gattung. Das Objekt dürfte einem großen Gasplaneten ähneln – es könnte in seiner Atmosphäre sogar Wolken aus Wasserdampf geben“, erläutert Liu. „Tatsächlich dürften viele der Gasriesen um sonnenähnliche Sterne, die wir mit der nächsten Generation von Großteleskopen fotografieren werden können, so ähnlich wie CFBDSIR 1458+10B aussehen.“

Jagd nach dem kältesten Objekt geht weiter

Die Suche nach kühlen Objekten ist ein hochaktuelles Thema der Astronomie. Erst kürzlich hatte das Weltraumteleskop Spitzer der NASA zwei andere besonders lichtschwache Objekte aufgespürt, die ebenfalls als Kandidaten für den kühlsten bekannten Braunen Zwerg in Frage kommen. Allerdings konnte deren Temperatur bislang nicht so genau bestimmt werden wie die von CFBDSIR 1458+10B. Zukünftige Beobachtungen werden zeigen, welches der Objekte tatsächlich am kältesten ist. Auch Liu und seine Kollegen wollen CFBDSIR 1458+10B erneut beobachten, um seine Eigenschaften noch genauer bestimmen und die Umlaufbahn des Doppelsystems vermessen zu können. Nach ungefähr zehn Jahren regelmäßiger Beobachtungen sollten die Astronomen über genügend Daten verfügen, um die Masse der beiden Objekte bestimmen zu können. (arXiv:1103.0014v2 [astro-ph.SR])

(European Southern Observatory – ESO, KEck Observatory, 24.03.2011 – NPO)

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