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Ökologie

Pflanzen: Kompromisse als Motor der Vielfalt

Gute Verteidigung gegen hungrige Pflanzenfresser nicht immer die beste Strategie

Geht es den Raupen (hier eine des Wiener Nachtpfauenauges) auf vorher bereits angefressenen (induzierten) Pflanzen schlechter als auf intakten, ist die Pflanzenart in der Lage, zusätzliche Abwehr zu induzieren, schreiben die Forscher in den „Proceedings of the National Acadamy of Sciences“ (PNAS). © André Künzelmann

Eine gute Verteidigung gegen hungrige Pflanzenfresser ist nicht immer die beste Strategie – denn sie hat ihren Preis und geht auf Kosten anderer wichtiger Eigenschaften der Pflanze. Wissenschaftler sind nun in Experimenten der Frage nachgegangen, ob Pflanzen tatsächlich verschiedene Abwehrmechanismen und wichtige Funktionen wie Wachstum und Konkurrenzstärke gegeneinander abwägen – mit überraschenden Ergebnissen.

Pflanzen sind die Energiequelle des Lebens unseres Planeten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie im Laufe der Evolution eine unglaubliche Vielfalt komplexer Verteidigungsmechanismen gegen Fraßfeinde entwickelten. Dazu gehören zum Beispiel Stacheln, Haare oder Dornen aber auch chemische Stoffe, die entweder ständig zum Einsatz kommen (konstitutiv) oder, vergleichbar mit unserem Immunsystem, nur bei Bedarf gebildet (induziert) werden.

„tradeoffs“ zwischen Kosten und nützlichen Eigenschaften

Weshalb Pflanzen so stark in ihrer Abwehr variieren beschäftigt Evolutionsforscher seit Jahrzehnten. Eine weitverbreitete Hypothese basiert auf der Annahme, dass ein gutes Verteidigungssystem zwar vor hungrigen Mäulern schützt, aber dass Abwehr auch kostet und zu Lasten anderer wichtiger Funktionen geht.

Es ist deshalb möglich, dass Kompromisse, so genannte „tradeoffs“, zwischen Kosten und nützlichen Eigenschaften die Vielfalt der Pflanzenabwehr einst mit hervorriefen und aufrechterhalten. In Bern haben jetzt Ökologen der Universität Bern und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Halle die wichtigsten „tradeoffs“ genauer unter die Lupe genommen.

Strategisches Vorgehen im Pflanzenreich

Die Forscher pflanzten dazu 58 verschiedene Pflanzenarten und ermittelten in Experimenten deren Wachstumsrate und Konkurrenzstärke. Eine pflanzenfressende Raupenart gab ihnen Aufschluss über die konstitutive und induzierte Abwehr der Arten: nahmen die Raupen beim Fressen stark an Gewicht zu, ist die Pflanze schlecht verteidigt. Wurden sie dagegen leichter, ist die konstitutive Abwehr der Pflanze gut.

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Geht es weiterhin den Raupen auf vorher bereits angefressenen (induzierten) Pflanzen schlechter als auf intakten, ist die Pflanzenart in der Lage, zusätzliche Abwehr zu induzieren. Pflanzenarten, die bereits über eine gute Grundverteidigung verfügen, induzieren weniger Abwehr und umgekehrt.

In den Gewächshäusern der Uni Bern untersuchten die Forscher wie die Abwehr der Pflanzen gegen Pflanzenfresser funktioniert. © Thomas Chrobock/ Universität Bern

tradeoff zwischen verschiedenen Wildpflanzenarten

Die Forscher konnten zeigen, dass dieser tradeoff zwischen verschiedenen Wildpflanzenarten tatsächlich existiert – jedoch bei gezüchteten Zierpflanzenarten durch menschliche Selektion verloren ging. Eine Reduktion des teuren konstitutiven Abwehrsystems im Laufe der Evolution ist sogar Bestandteil einer erfolgversprechenden Strategie. Denn nur im Notfall in Abwehrstoffe zu investieren zahlt sich für die Pflanze durchaus aus.

Die Forscher demonstrierten, dass Pflanzen mit geringer Grundabwehr verstärkt in Konkurrenzfähigkeit investieren – häufig eine wichtige Voraussetzung, um in der Natur zu überleben. Damit sie im Fall eines Schädlingsbefall aber nicht völlig schutzlos sind, kompensieren sie diese geringe Grundabwehr mit einer erhöhten Fähigkeit im Bedarfsfall in Abwehrstoffe zu investieren.

Die jetzt in den „Proceedings of the National Acadamy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichten Erkenntnisse bestärken die Hypothese, dass Kompromisse im Pflanzenreich die Grundlage für die Evolution der großen Vielfalt von Abwehrstrategien darstellt. (PNAS, 2011, doi:10.1073/pnas.1016508108)

(Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 18.03.2011 – DLO)

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