Schwarmverhalten gibt es nicht nur bei Vögeln, Insekten oder Fischen, auch der Mikrokosmos hat ähnliche Phänomene zu bieten: Einem Physiker-Team ist es jetzt erstmals gelungen, laserbeschleunigte Schwärme von Elektronen im Zusammenspiel mit einer Plasmawelle zu beobachten.
Damit haben die Forscher des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ), der Universität München (LMU), der Universität Jena und des Helmholtz-Instituts Jena eine Echtzeit-Dokumentation erstellt, wie sich unter Einwirkung von starken Laserpulsen Elektronen zu Bündeln organisieren und sich während des Fluges in ihrem Windschatten verhalten.
Die Erkenntnisse erleichtern die Entwicklung von neuen Elektronen- und Lichtquellen, mit denen man etwa die Struktur von Atomen und Molekülen erkundet, so die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature Physics“. In der Medizin helfen die Kenntnisse, neue Röntgenquellen zu entwickeln, deren Auflösung weit besser sein wird als bei aktuellen Geräten.
Mischung aus Elektronen und Ionen
Wenn kurze Laserpulse auf Helium-Atome treffen, wird deren Struktur gehörig durcheinander gewirbelt: Ist das Licht stark genug, schlägt es aus den Helium-Atomen Elektronen heraus, wodurch diese zu Ionen werden. Die entstehende Mischung aus Elektronen und Ionen ist ein Plasma, in dem unter starkem Lichteinfluss Wellen erzeugt werden können – ganz ähnlich einem Boot, das auf einer Wasseroberfläche entlangfährt und eine Welle hinter sich herzieht.
In ihren Experimenten haben die Physiker einen Laserpuls auf eine Gasdüse fokussiert, aus der Heliumgas strömt. Der Puls dauert nur wenige Femtosekunden – Millionstel Bruchteile einer Milliardstel Sekunde. Der hochintensive Laserpuls reißt dabei die Elektronen förmlich aus den Atomen. In diesem Cocktail sind die Elektronen viel leichter als die Helium-Atomrümpfe, dadurch kann der Laser sie viel einfacher zur Seite drängen. Während der Laserpuls über das System hinwegfegt, bleiben die Ionen stationär und die freigewordenen Elektronen fangen an zu schwingen.
Gigantische elektrische Felder
In der durch diese Einzelschwingungen entstehenden Plasmawelle bilden sich nach Angaben der Physiker gigantische elektrische Felder. Ein kleiner Teil der Elektronen nutzt die Felder und fliegt als Schwarm im Windschatten dem Laserpuls hinterher.
„Man kann sich den Elektronenschwarm auch als Wellenreiter vorstellen, der eine Wasserwelle hinuntersurft und dadurch immer schneller wird“, erläutert Professor Malte Kaluza, Juniorprofessor für Experimentalphysik und Ultraphotonik an der Uni Jena. Dabei werden die Elektronen bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, wobei jedes Elektron über fast die gleiche Energie verfügt.
Kombinierte Dokumentation mit hoher Auflösung der Plasmawelle geglückt
Das Phänomen ist in der Physik schon länger bekannt. Bisher waren aber nur Einzelbeobachtungen mit reduzierter Auflösung, entweder des Elektronenschwarms oder der gesamten Plasmawelle möglich. In einem sehr ähnlichen Experiment, das Kaluza mit seiner Gruppe in der Vergangenheit schon mit dem JETI Laser durchgeführt hat, konnte das Prinzip bereits gezeigt werden. Zusammen mit den Garchinger Laserphysikern und dem dortigen Lasersystem ist nun erstmals die kombinierte Dokumentation mit einer hohen Auflösung der Plasmawelle geglückt.
Film der Elektronenbeschleunigung
In Schnappschüssen festgehalten wurde der Prozess mithilfe des gleichen Lichtpulses, der auch die Elektronen beschleunigt. Den Laserpuls hatten die Physiker zuvor gespalten, sodass ein kleiner Teil davon im rechten Winkel auf das System aus freien Elektronen und Ionen auftraf. Dieses Licht wird an der periodisch angeordneten Plasmawelle gebrochen, wobei sich die Brechung verändert und es zum Teil abgelenkt wird.
Diese Ablenkung nimmt eine Kamera den Forschern zufolge als Helligkeitsunterschiede auf. Die vom Elektronenschwarm produzierten Magnetfelder werden ebenfalls aufgezeichnet. Aus beiden Messmethoden ergibt sich schließlich ein Film der Elektronenbeschleunigung.
„Diese verbesserten Kenntnisse der laser-getriebenen Elektronenbeschleunigung helfen uns, neue Röntgenquellen von bisher nicht erreichter Qualität für die Grundlagenforschung aber auch für die Medizin zu entwickeln“, erläutert Ferenc Krausz vom Labor für Attosekundenphysik (LAP) am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ). (Nature Physics, 2011; doi:10.1038/NPHYS1942)
(Universität Jena / MPQ, 15.03.2011 – DLO)