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Medizintechnik

Zahnimplantate: Strom setzt Mikroben matt

Neue Methode rückt Bakterien effizient zu Leibe, die Entzündungen verursachen

Gesunde Zähne © IMSI MasterClips

Infektionen an Zahnimplantaten sind gefürchtet. Das Risiko ist groß, dass sich dadurch der Kieferknochen zurückbildet. Züricher Wissenschaftler haben nun eine Methode entwickelt, die den entzündungsverursachenden Bakterien effizient zu Leibe rücken könnte. Sie stellen ihr Verfahren, bei dem nach einer fünfzehnminütigen Behandlung 99 Prozent der Mikroben abgetötet sind, in der Fachzeitschrift „PLoS ONE“ vor.

Die Titanschraube eines Zahnimplantats unter Strom setzen? Was eher nach einer Foltermethode tönt, ist völlig ungefährlich und medizinisch durchaus sinnvoll, denn die richtige Dosis Strom lässt Bakterien absterben. Allerdings ist alles eine Frage des Maßes: Die wenigen Milliampere, die dafür ausreichen, werden vom Patienten kaum wahrgenommen oder äußern sich höchstens durch ein leichtes Muskelzucken.

Das zeigen die Experimente, die Dirk Mohn im Rahmen seiner Doktorarbeit bei ETH-Professor Wendelin Stark vom Institut für Chemie- und Bioingenieurwissenschaften in Zusammenarbeit mit Thomas Imfeld, Professor am Zentrum für Zahnmedizin der Universität Zürich, durchgeführt hat.

Zehn Prozent der Implantate machen Probleme

Zehn Prozent der Implantate machen Probleme In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der eingesetzten Zahnimplantate in Europa und den USA verdoppelt. „In den industrialisierten Ländern wurden im Jahr 2009 schätzungsweise fünf Millionen Zahnimplantate eingesetzt, davon etwa eine Million in Deutschland und 100.000 in der Schweiz“, sagt Imfeld. Bei circa zehn Prozent der Implantate treten Probleme auf, meist im ersten Jahr nach dem Eingriff.

Das Implantat verheilt erst gar nicht mit dem Knochen oder das Gewebe rund um ein Implantat kann sich infizieren. Eine Infektion kann schließlich bis zum Knochenschwund führen und dazu, dass das Implantat wieder entfernt werden muss.

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Idee aus der Wasserreinigung

Die Behandlung solcher Entzündungen erfolgt heute mechanisch oder mit lokal angewendeten Antibiotika – dies bedeutet in vielen Fällen eine Belastung für die Patienten und Patientinnen. Ziel der Zürcher Forscher war es deshalb, ein nicht-invasives Verfahren zu entwickeln, um diese Entzündungen effizient und schonend zu behandeln.

„Die Idee stammt aus der Wasserreinigung, wo durch die klassische Elektrolyse keimfreies Wasser produziert wird“, sagt Mohn. Um die Situation im Kiefer zu simulieren, nutzen die Wissenschaftler ein mit physiologischer Kochsalzlösung hergestelltes Gelatinepräparat. In dieses platzierten sie original Titan-Implantate, die sie zuvor mit einem Bakterienfilm aus E .coli-Bakterien beschichteten.

Enorme desinfizierende Wirkung

Im Experiment dient für den Stromfluss je ein Implantat als Kathode (Minuspol) und eines als Anode (Pluspol). Die Implantate werden 15 Minuten lang einer Stromstärke zwischen null und zehn Milliampere ausgesetzt. Die durch das erzeugte Spannungsfeld verursachte Elektrolyse führte dazu, dass Wassermoleküle an der Kathode in Hydroxid-Ionen zerlegt werden und somit der pH-Wert steigt.

Farbindikatoren in der Gelatine zeigen den Wissenschaftlern zufolge das alkalische Milieu durch einen Farbumschlag an. An der Anode hingegen sinkt der pH- Wert, es bildet sich ein saures Milieu. Aus der Kochsalzlösung entstehen stark oxidative – in dieser Konzentration aber ungefährliche – Substanzen wie Chlor. Diese Substanzen haben nach Angaben der Forscher eine viel höher desinfizierende Wirkung als das rein alkalische Milieu an der Kathode.

99 Prozent der Bakterien abgetötet

Die Versuchsreihen mit unterschiedlichen Stromstärken zeigen, dass bei den Implantaten, bei denen ein saures Milieu erzeugt wurde, nach einer fünfzehnminütigen Behandlung 99 Prozent der Bakterien abgetötet werden. In Zukunft würde deshalb das Implantat von Patienten die Funktion der Anode übernehmen. Ein Clip an der Lippe könnte als Kathode verwendet werden, sagt Mohn.

Momentan sind die Wissenschaftler dabei, ein entsprechendes Gerät zu entwickeln, das zum Beispiel bei Hunden eingesetzt und damit getestet werden könnte. Parallel dazu erweitern die Wissenschaftler ihre In-vitro-Versuche mit einer breiteren Bakterienpopulation, die der Bakterienvielfalt im Mund entspricht. (PLoS ONE, 2011; doi:10.1371/journal.pone.0016157)

(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 09.03.2011 – DLO)

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