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Medizin

Landkarte der Demenz: Häufung im Osten

Studie zeigt regionale Verteilung von Demenzfällen heute und im Jahr 2025

Karte der Demenz im Jahr 2008: Die regional aufgegliederte Karte der Demenzhäufigkeiten führt den „Alterungsvorsprung“ Deutschlands gegenüber den Nachbarn im Süden deutlich vor Augen. Am östlichsten Zipfel Deutschlands, nahe der Grenze zur Tschechischen Republik, leben heute deutschlandweit die meisten Menschen mit Demenz. © I. Hoßmann/ Jörg Scholz

Zum ersten Mal zeigen „Landkarten der Demenz“ für Deutschland, Österreich und die Schweiz, wo heute und im Jahr 2025 die meisten Demenzkranken leben werden. Die höchste Zahl Demenzkranker gibt es demnach heute im Osten Deutschlands, wo ganze Gebiete durch die Abwanderung junger Menschen „vergreist“sind. Hier wird sich nach Schätzung der Forscher bis 2025 die Zahl der Demenzfälle verdoppeln. Am wenigsten Erkrankte gibt es dagegen in jungen Universtitätstädten und Gebieten mit vielen jungen Familien.

Nach dem 65. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz zu erkranken. Die Alterung der Gesellschaft bringt es deshalb mit sich, dass der Anteil der Menschen mit Demenz an der Gesamtbevölkerung steigt. Nach aktuellen Schätzungen leben heute rund 1,3 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland, das entspricht gut 1.600 pro hunderttausend Einwohner. Nach Schätzungen von Experten könnte er sich in der nächsten dreißig Jahre verdoppeln. Österreich und die Schweiz haben dank anhaltender Zuwanderung noch etwas jüngere Bevölkerungen. Allerdings fällt diese Entwicklung regional sehr unterschiedlich aus.

Verteilung der Demenzfälle heute und im Jahr 2025

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat jetzt erstmals „Landkarten der Demenz“ für Deutschland, Österreich und die Schweiz vorgelegt. Daraus lassen sich für jede einzelne Region der heutige Stand (Daten von 2008) und die Prognose für 2025 ablesen. Die Prognosen beruhen dabei auf den regional beobachteten Trends bei der Entwicklung der Geburtenziffer, der Sterblichkeit und der Zu- oder Abwanderung. Erfast wurden dabei 439 Landkreise und kreisfreien Städte Deutschlands, 35 österreichische Kleinregionen, sowie 26 Schweizer Kantone. Die regional unterschiedlichen Daten nahmen die Forscher dann als Basis, um anhand der altersspezifischen Erkrankungsraten die voraussichtliche Zahl der Demenzfälle zu ermitteln.

Am meisten Fälle in Hoyerswerda, Görlitz und Dessau

Das Ergebnis: Am östlichsten Zipfel Deutschlands, nahe der Grenze zur Tschechischen Republik, leben heute deutschlandweit die meisten Menschen mit Demenz. Den höchsten Wert mit 2.190 Fällen pro hunderttausend Einwohnern erreicht das sächsische Hoyerswerda, dicht gefolgt von Görlitz und Dessau. Ursache ist die in diesen Gebieten besonders starke Abwanderung der Jungen: Die Gegend um Hoyerswerda entleerte sich nach der Wende zusehends, weil vor allem junge Menschen fortzogen. Jetzt schon zählt dort rund ein Drittel der Bevölkerung 65 Jahre oder mehr.

Am wenigsten in Niedersachsen, München und Uni-Städten

Die niedrigsten Werte für die Verbreitung von Demenz finden sich heute in den beiden niedersächsischen Kreisen Cloppenburg und Vechta. Das ist kaum verwunderlich, da es hier überdurchschnittlich hohe Geburtenzahlen und damit eine im Durchschnitt eher junge Bevölkerung gibt. Dies gilt auch für den erweiterten Speckgürtel um München, wo das Angebot an Arbeitsplätzen junge Menschen und Familien anzieht, und für die badem-württembergischen Universitätstädte Heidelberg, Tübingen und Freiburg im Breisgau.

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Karte der Demenz 2025: In weiten Gebieten Ostdeutschlands dürfte sich die Anzahl Demenzkranker je 100.000 Einwohner bis zum Jahr 2025 gegenüber heute verdoppeln. © I. Hoßmann/ Jörg Scholz

2025: Verdopplung der Demenzfälle im Osten

Die Situation im Jahr 2025 folgt den bereits heute erkennbaren Trends: In weiten Gebieten Ostdeutschlands könnten sich die Anzahl Demenzkranker bis 2025 gegenüber heute verdoppeln. Es sind ausgerechnet die Gebiete, wo heute schon relativ wenige Personen im Erwerbsalter als potenzielle Betreuer für Menschen mit Demenz zur Verfügung stehen: Weite Teile Mecklenburg-Vorpommerns, die Randgebiete Brandenburgs sowie Sachsen- Anhalt und Sachsen abseits der größeren Städte. Hoyerswerda hält auch in nächster Zukunft mit 3.660 Demenzkranken auf hunderttausend Einwohner bundesweit den Höchstwert, gefolgt von Dessau und dem thüringischen Landkreis Suhl.

Netzwerke und andere Lösungen gefragt

Wo die Kommunen heute schon Haushaltsprobleme haben, werden sie in Zukunft deutlich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben, um etwa Heimplätze und Pflegepersonal bereitzustellen. Dies trifft vor allem auf den Osten Deutschlands zu. Es gilt aber, wenn auch noch in geringerem Ausmaß, ebenfalls für die Gebiete Österreichs, die entlang des ehemaligen Eisernen Vorhanges gelegen sind. Auch manche ländlichen Regionen am Alpenrand, deren Bewohner es in die großen Agglomerationen zieht, haben schon mit einer veränderten Bevölkerungszusammensetzung zu kämpfen.

Wie können die Regionen der Herausforderung begegnen? Modelle dafür gibt es bereits – etwa in der nordrhein-westfälischen Stadt Arnsberg. Dort besteht inzwischen ein ganzes Netzwerk privater und öffentlicher Angebote für Menschen mit Demenz. Der „Demenz-Report“ gibt einen Überblick über Modelle und Initiativen, die zeigen, wie sich die Kommunen auf die Alterung der Gesellschaft einstellen können.

Download der kompletten Studie (PDF)

(Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 23.02.2011 – NPO)

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