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Geowissen

Los Angeles: Starkes Erdbeben überfällig

Paläoseismologische Studie bestätigt Risiko für Los Angeles widerlegt aber Seen-Hypothese

Lake Cahuilla Basin © University of Oregon

Der Millionenstadt Los Angeles könnte ein starkes Erdbeben drohen: In einer Verwerfung südlich der Stadt ist ein Starkbeben seit rund 140 Jahren überfällig. Das zeigt eine aktuelle Studie, in der Forscher eine relativ regelmäßige Abfolge der Starkeben im Südausläufer der San Andreas Verwerfung entdeckten. Gleichzeitig gelang es ihnen, die Hypothese zu widerlegen, nach der die sporadisch vorhandenen Seen im Lake Cahuilla Basin eine Rolle für das Auslösen von Beben spielen.

212 Kilometer südlich von Los Angeles liegt das Lake Cahuilla Basin, ein langgezogenes Tal, vom Golf von Kalifornien abgeriegelt durch von der Mündung des Colorado River aufgeworfene Sedimentwälle. Je nach Klima lag in dieser Senke im Laufe der Geschichte immer wieder mal ein See, der zwischendurch wieder trocken fiel. Schon seit einiger Zeit vermuten Geologen und Geophysiker, dass das Entstehen und Verschwinden der Seen in dieser Senke eng mit dem Auftreten von Erdbeben an dem hier liegenden südlichen Ausläufer der San Andreas Verwerfung zusammenhängt. Möglicherweise – so die Annahme – beeinflusst die oberirdische Veränderung die Spannung im Gestein der darunterliegenden tektonischen Störung.

1.000 Jahre Starkbeben und Seenentwicklung

Ursprung dieser Hypothese war die Beobachtung, dass es in den letzten 1.000 Jahren in diesem Gebiet sieben Erdbeben und sieben aufeinanderfolgende Seen gegebenen hat. Ein Forscherteam unter Leitung von Ray Weldon, Professor für Geologie an der Universität von Oregon, hat diese Hypothese jetzt genauer untersucht – mit einem für die nahegelegene Millionenstadt Los Angeles wenig erfreulichen Ergebnis.

„Wir haben die letzten fünf bis sieben Erdbeben der südlichsten 100 Kilometer der San Andreas-Verwerfung datiert“, erklärt Weldon. Er bezieht sich dabei auf einen Teil der Verwerfung zwischen dem San Gorgonio Pass im Norden und dem Imperial Valley im Süden. „Sie sind der einzige der Teil der Verwerfung, der Neuzeit noch nicht gebrochen ist.“ Die Forscher analysierten die seismischen Strukturen im Sediment von drei Gräben, die den direkten Zugang zur Verwerfung ermöglichen und datierten 81 Proben organischen Materials mit Hilfe der Radiokarbondatierung. Damit gelang ihnen eine Rekonstruktion der Erdbebengeschichte der letzten 1.000 Jahre.

Erdbebenkarte © University of Oregon

Starkes Erdbeben überfällig

Das Ergebnis: in dieser Zeit ereigneten sich sieben Erdbeben, jeweils etwa im Abstand von 180 Jahren. Das letzte größere Erdbeben an diesem Teil der Verwerfung ereignete sich bereits im Jahr 1690, demnach wäre ein weiteres Starkbeben damit längst überfällig. Nach Angabe von Weldon und seinen Coautoren hat sich die tektonische Spannung im Gestein in den letzten 320 Jahren aufgestaut. Es gibt daher heute eine große Wahrscheinlichkeit für einen Bruch im Untergrund dieser Region.

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„Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird dieses Gebiet durch eines der vielen Beben angestoßen werden, die sich südlich der San Andreas Verwerfung ereignen“, so Weldon. „Es wird sich nordwärts entlang der Verwerfung ausbreiten. Wenn es in das San Bernardino Valley gelangt, wird die seismische Energie in eine Reihe von Becken geleitet, darunter auch das Los Angeles Becken, und damit in den am dichtesten besiedelten Teil Südkaliforniens.“ Das Southern California Earthquake Center hat bereits eine Animation der wahrscheinlichen Bebenausbreitung erstellt. Für die Millionenstadt besteht daher leider kein Grund zur Erleichterung.

Seen-Hypothese gekippt

Die Theorie aber, nach der die Seen mit der Erdbebenaktivität verknüpft sind, wird durch die neuen Daten nun eindeutig widerlegt. „Wir haben jetzt die beste Chronologie dieser Seen, die es jemals gab“, so der Forscher. „die populärste Hypothese besagte, dass entweder das Füllen oder das Leeren der Seen die Erdbeben auslöste. Aber nach unseren Daten kann keines von beiden stimmen.“

Die Daten zeigen, dass sich die vergangenen Starkbeben völlig unabhängig von dem Zustand der Seen in der Senke ereigneten: Egal, ob die Seen sich gerade füllten, bereits gut gefüllt waren, komplett trockenlagen oder sich gerade leerten. Wenn es überhaupt einen kausalen Zusammenhang gibt, so der Forscher, dann vermutlich genau anders herum als vermutet: „Wahrscheinlich gibt es gar keine Beziehung. Aber wenn man unbedingt eine sehen will, dann könnte es höchstens sein, dass die Erdbeben das Entstehen und Vergehen der Seen beeinflusst haben.“

Möglicherweise haben die Starkbeben beispielsweise die Uferbänke des Colorado River einbrechen lassen und damit auch den Lauf des Flusses verändert. Das Flusswasser könnte dann leichter in das Lake Cahuilla Basin hinein, oder aber davon weg gelenkt worden sein. So oder so: In jedem Fall ist klar, dass die Hypothese von den Erdbeben-beeinflussenden Seen nun endgültig vom Tisch ist. (Bulletin of the Seismological Society of America, 2011; doi: 10.1785/0120100050)

(University of Oregon, 16.02.2011 – NPO)

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