Ein internationales Forscherteam hat am Beispiel des Krankheitserregers Bartonella gezeigt, dass sich Bakterien durch den Erwerb einer molekularen Injektionsnadel zum Einspritzen bakterieller Proteine in Wirtszellen sehr viel effizienter an neue Wirtsorganismen wie den Menschen anpassen können.
Die gewonnenen Erkenntnisse sind von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der Evolution neuartiger Krankheitserreger des Menschen, so die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „PLoS Genetics“. Sie liefern aber auch das erste Beispiel dafür, dass Bakterien durch den Erwerb neuer Eigenschaften eine so genannte „adaptive Radiation“ auslösen können. Adaptive Radiation beschreibt die rasche Entstehung einer Vielzahl von Arten aus einer Startpopulation als Folge der spezifischen Anpassung an verschiedene ökologische Nischen. Dieser grundlegende Evolutionsprozess trägt entscheidend zur Entstehung von Biodiversität bei.
Adaptive Radiationen erfolgen immer dann, wenn ein Organismus entweder ein evolutionäres Schüsselelement neu erwirbt, mit dessen Hilfe er sich schnell an neuartige Nischen anpassen kann, oder wenn ein Organismus mit bestehendem adaptivem Merkmal auf eine fremde Umwelt mit unbesetzten Nischen trifft.
Darwin-Finken: Paradigma der adaptiven Radiation
Das Lehrbuchbeispiel einer solchen explosiv verlaufenden Artbildung sind die Darwin-Finken auf den Galápagos-Inseln. Durch mannigfaltige Anpassung der Schnabelform haben sich bislang 14 bekannte Arten entwickelt, die so unterschiedlichste Nahrungsquellen nutzen können. Weitere Beispiele für adaptive Radiationen finden sich bei den Reptilien, Fischen, Insekten und Pflanzen. Allerdings weiß man bislang vergleichsweise wenig über diesen grundlegenden Artbildungsprozess bei den allgegenwärtigen Bakterien.
Adaptive Raditionen auch in Bakterien
Forscher der Universität Basel um den Infektionsbiologen Professor Christoph Dehio und den Evolutionsbiologen Professor Walter Salzburger haben mit internationalen Partnern erstmals ein gut belegtes Beispiel einer adaptiven Radiation bei Bakterien beschrieben und dessen molekulare Grundlage entschlüsselt. Die Wissenschaftler untersuchten die Artbildung des bakteriellen Krankheitserregers Bartonella, bei dem jede seiner vielen nah verwandten Spezies jeweils spezifisch an einen bestimmten Säugerwirt und damit an eine ökologische Nische angepasst ist.
Parallele Evolution ermöglicht neue Erkenntnisse zur Entstehung neuer Krankheitserreger
Die detaillierte Untersuchung der Verwandtschaftsverhältnisse der Bartonella-Spezies führte überraschenderweise zum Nachweis von zwei parallel verlaufenden adaptiven Radiationen, wobei sich Abkömmlinge jeweils beider Radiationen an denselben Säugerwirt angepasst haben. Beispiele paralleler Evolution erleichtern die Untersuchung molekularer Evolutionsmechanismen.
Molekulare Injektionsnadel spritzt Wirkstoff-Cocktail ein
Die Forscher konnten in ihrer neuen Studie die parallel verlaufenden adaptiven Radiationen der Bartonellen auf den unabhängigen Erwerb desselben adaptiven Merkmals zur Wirtsanpassung zurückführen. Bei diesem Merkmal handelt es sich um eine molekulare Injektionsnadel, die einen auf den entsprechenden Säugerwirt angepassten Cocktail aus bakteriellen Wirkproteinen in die infizierten Wirtszellen einspritzt.
Da sich Bartonellen auch mehrfach spezifisch an den Menschen als Wirtsorganismus angepasst haben, sind die Ergebnisse aus Sicht der Forscher gleich in zweifacher Hinsicht von großer Bedeutung: Einerseits für das grundlegende Verständnis der Evolution neuartiger Krankheitserreger des Menschen, andererseits im Hinblick auf die Erforschung neuer Ansätze zur Bekämpfung dieser Mikroben. (PLoS Genetics Online; doi: pgen.1001296)
(Universität Basel, 14.02.2011 – DLO)