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Astronomie

Erster 360°-Blick auf die Sonne

STEREO-Sonden ermöglichen erstmals Aufnahmen beider Sonnenhälften in Echtzeit und simultan

STEREO-Sonden auf beiden Seiten der Sonne (Illustration) © NASA

Es ist soweit: Zum ersten Mal in Geschichte der Menschheit können wir alle Seiten der Sonne auf einmal beobachten. Dieser 360°-Rundumblick ist den Zwillingssonden der STEREO-Mission zu verdanken, die seit ein paar Tagen ihre Position zu beiden Seiten unseres Zentralsterns erreicht haben. Von dort aus ermöglichen sie erstmals eine Rundum-Überwachung der solaren Aktivität hochauflösend und in Echtzeit.

Im Oktober 2006 starteten die beiden Zwillingssonden der STEREO-Mission ins All. Ziel: die Sonne. Oder genauer gesagt: zwei Positionen an entgegengesetzten Seiten unseres Zentralsterns. Denn nur dann ist es möglich, erstmals in der Geschichte der Menschheit alle Seiten der Sonne auf einen Blick zu sehen. In dieser Woche nun haben beide Sonden ihre endgültigen Positionen erreicht und damit erstmals einen 360°-Blick auf die Sonne ermöglicht.

Blick auf die Sonne von beiden Seiten

„Zum ersten Mal überhaupt können wir nun die solare Aktivität in ihrer vollen dreidimensionalen Pracht beobachten”, erklärt Angelos Vourlidas, Forscher des STEREO-Teams am Naval Research Lab in Washington D.C. „Dies ist ein großer Moment in der solaren Physik. STEREO hat die Sonne enthüllt als das, was sie wirklich ist: Ein Ball aus heißem Plasma und kompliziert miteinander verwobenen magnetischen Feldern.“

Jede der beiden STEREO-Sonden fotografiert die für sie sichtbare Hälfte des Sterns und schickt die Bilddaten zurück zur Erde. Dort kombinieren Sonnenforscher die Daten zu einem 360°-Gesamtbild der Sonnennoberfläche. Die Kameras der STEREO-Sonden erstellen ihre Aufnahmen nicht nur im sichtbaren Licht, sondern erfassen auch vier Wellenlängen im Bereich der extrem ultravioletten Strahlung. In diesen Wellenbereichen lassen sich Schlüsselfaktoren der solaren Aktivität wie Flares, solare Tsunamis oder magnetische Filamente besonders gut beobachten.

Mit Hilfe der STEREO-Daten können koronare Massenauswürfe (CME) besser analysiert werden © WSA-Enlil / NOAA

Wechselwirkung verschiedener Phänomene jetzt beobachtbar

„Mit Daten wie diesen können wir rund um die Sonne fliegen um zu sehen, was hinter dem Horizont geschieht – ohne auch nur unsere Schreibtische verlassen zu müssen“, so NASA-Forscherin Lika Guhathakurta. „Ich erwarte uns davon große Fortschritte in der theoretischen Sonnenphysik, aber auch in der Vorhersage des Weltraumwetters.“ So können die neuen Bilder Verbindungen zwischen Sonnenphänomenen enthüllen, die bisher verborgen blieben.

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Seit langem besteht beispielsweise der Verdacht, dass die solare Aktivität global werden kann, dass Eruptionen auf beiden Sonnenseiten sich gegenseitig nähren und verstärken. So bedeckte die große Eruption vom August 2010 zwei Drittel der gesamten Sonnenoberfläche mit Dutzenden von interagierenden Eruptionen, Schockwellen und vibrierenden Filamenten. Ein Großteil der Ereignisse spielte sich auf der damals erdabgewandten Seite der Sonne ab. Jetzt lässt sich die Interaktion dieser Phänomene erstmals durch direkte Beobachtungen erforschen.

Sonnensturm-Warnungen können jetzt früher kommen

Und auch für die Erde haben die jetzt platzierten Sonden unmittelbaren Nutzen. Denn in der Vergangenheit konnten sich beispielsweise große aktive Sonnenflecken auf der der Erde abgewandten Seite der Sonne entwickeln. Durch die Rotation der Sonne gerieten sie dann ins Blickwelt der Überwachungskameras, aber viel zu spät, um eine frühzeitige Warnung vor einem Sonnensturm herausgeben zu können. „Das ist jetzt nicht mehr der Fall“, erklärt Bill Murtagh vom Space Weather Prediction Center der amerikanischen Ozean- und Atmosphärenforschungsbehörde NOAA in Boulder. „Aktive Regionen auf der abgewandten Seite können uns jetzt nicht mehr überraschen. Dank STEREO wissen wir nun, dass sie kommen.“

Die Weltraumwetter-Prognostiker der NOAA setzen bereits auf STEREO-Daten beruhende 3D-Modelle von solaren Eruptionen ein, um die Vorhersagen für Fluggesellschaften, Stromerzeuger, Satellitenbetreiber und andere potenziell betroffenen Branchen zu erstellen. Die ab jetzt mögliche Erfassung der Sonnenaktivität rundum und in Echtzeit wird diese nun noch weiter verbessern.

Und auch außerhalb der Erde können bessere Vorwarnungen nützlich sein: „Mit diesem guten Globalmodell können wir nun auch Sonnenstürme verfolgen, die in Richtung der anderen Planeten rasen“, erklärt Guhathakurta. „Das ist wichtig für die NASA-Missionen zum Merkur, zum Mars, zu den Asteroiden… einfach alle.“

Filme der hochauflösenden 360°-Sicht der STEREO-Sonden finden sich auf den Seiten der NASA im Internet.

(NASA, 09.02.2011 – NPO)

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