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Atlantik: Ozeanzirkulation „stotterte“

Dramatische Aussetzer der atlantischen Strömungspumpe am Ende der letzten Eiszeit

Foraminifere © Cardiff University

Die für das Klima in Europa entscheidende „Strömungspumpe“ im Nordatlantik erlebte am Ende der letzten Eiszeit eine ganze Serie dramatischer Aussetzer. Das belegt jetzt eine in „Science“ veröffentlichte Studie britischer Forscher. Die drastischen Umschwünge im damaligen Ozean transportierten zeitweilig nicht nur antarktisches Wasser bis in den Nordatlantik, sie veränderten auch das Klima der angrenzenden Kontinente innerhalb von Jahrzehnten bis Jahrhunderten.

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Das ungewöhnlich kalte Wetter in diesem und dem letzten Winter wurde wahrscheinlich durch Veränderungen der Luftströmungen ausgelöst. Statt der von warmen Ozeanströmungen im Nordatlantik aufgewärmten Westwinde zogen vor allem nördliche, aus der Polarregion stammende Luftmassen über Mitteuropa. Doch wenn man Forschern glauben darf, könnten diese Wetterextreme nur ein kleiner Vorgeschmack dessen sein, was bei Veränderungen nicht nur der Luftmassen, sondern auch der Meeresströmungen auftreten könnte.

Sedimentbohrkerne vor Island analysiert

Für ihre Studie führten die Forscher Expeditionen in den Nordostatlantik südlich von Island durch. Aus Wassertiefen von 1.200 bis 2.300 Metern erbohrten sie Sedimentkerne, deren Ablagerungen aus der Zeit von vor 22.000 bis 10.000 Jahren stammen. In den Bohrkernen sind Schalen winziger Meereslebewesen, der Foraminiferen, enthalten. Da die Foraminiferen während ihrer Lebenszeit das Rohmaterial für ihre Schalen aus dem Wasser beziehen, speichern diese damit auch die damalige Zusammensetzung der im Wasser gelösten Kohlenstoffisotope.

„Diese Schalen nutzten wir, um die vergangene Verteilung von Radiokarbon im Ozean zu ermitteln”, erklärt David Thornalley, Hauptautor der Studie von der Universität Cardiff. „Radiokarbon ist ein radioaktives Isotop des Kohlenstoffs, das wie eine natürliche Stoppuhr verrät, wann sich das Wasser zuletzt an der Oberfläche des Meeres befand. Das erlaubt es uns festzustellen, wie schnell sich Tiefenwasser im Nordostatlantik zu verschiedenen Zeiten in der Vergangenheit bildete.“

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Rückschluss auf Zirkulation von Tiefenwasser

Denn im Nordostatlantik liegt die wichtigste „Pumpe“ für das globale Strömungssystem der Meere. Dort sinkt Wasser von der Oberfläche in große Tiefen ab und bildet dort kaltes Tiefenwasser, das nahe dem Meeresboden nach Süden fließt. An der Oberfläche erzeugt das Absinken dagegen einen Sog, der warmes Wasser aus den Tropen nach Norden zieht – darunter auch den Golfstrom und den Nordatlantikstrom, die für das Klima Europas entscheidend sind.

Würde die „Strömungspumpe“ im Nordatlantik aussetzen, wäre ein Temperaturabfall von bis zu zehn Grad in unseren Regionen möglich. Entsprechend wichtig ist es, vergangene Epochen zu untersuchen, in denen genau dies schon einmal geschah. Genau dies haben nun die Forscher anhand der Foraminiferen-Schalen getan.

Strömungspumpe „stotterte“ am Ende der letzten Eiszeit

Die Analysen ergaben, dass die „Strömungspumpe“ am Ende der letzten Eiszeit eine ganze Serie abrupter Veränderungen erlebte, die jeweils für Jahrzehnte bis Jahrhunderte anhielten. Ihre Daten deuten darauf hin, dass damals das Tiefenwasser weitaus länger von der Oberfläche abgeschnitten blieb als heute – ein Hinweis darauf, dass die Strömungspumpe ihre Aktivität stark reduzierte oder ganz einstellte. Jedes Mal wenn dies geschah und die Bildung frischen Tiefenwassers aussetzte, strömte stattdessen Wasser in den Nordostatlantik, das ursprünglich nahe der Antarktis gebildet worden war.

Diese Ergebnisse zeigen unter anderem, dass der Atlantik und seine Strömungen zu durchaus extremen Umschwüngen fähig sind. Innerhalb von nur Dekaden können sich Strömungsmuster, die Quelle von einströmenden Wassermassen und damit verbunden auch die Klimabedingungen der angrenzenden Kontinente drastisch verändern.

Zirkulation heute stabiler

„Diese Einblicke betonen, wie dynamisch und sensibel die Ozeanzirkulation sein kann“, so Thornalley. „Zwar ist die Zirkulation im modernen Ozean wahrscheinlich sehr viel stabiler als sie es am Ende der letzten Eiszeit war und es ist daher viel unwahrscheinlicher, dass sie so radikale Veränderungen zeigen wird. Dennoch ist es wichtig, dass wir unser Verständnis des Klimasystems verbessern und wissen, wie es reagiert, wenn es einen solchen Schubs erhält.“

(Science / University of Cardiff, 17.01.2011 – NPO)

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