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Biologie

Spermienform spiegelt Paarungsstrategie wieder

Spermienevolution bei zwittrigen Plattwürmern zielt auf Abwehr der weiblichen Rolle

Spermium des Plattwurmes Macrostomum lignano. . Beachtenswehrt ist der frontale 'Fühler' (links), und die zwei seitlichen und steifen Borsten © Lukas Schärer

Spermien gehören zu den vielseitigsten Zellen im Tierreich. Angetrieben von Konkurrenzdruck und Abwehrmaßnahmen des Weibchens haben sie im Laufe der Evolution zahlreiche verschiedene Formen ausgebildet. Wie unterschiedlich diese sein können und welche Mechanismen sie dazu brachten, hat jetzt ein internationales Forscherteam in einer Studie an Plattwürmern herausgefunden. Die in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erschienene Studie gibt neue Einblicke in die verblüffende Diversität der Spermien.

Auf den ersten Blick klein und unscheinbar, sind Spermien die wohl diversesten aller Zelltypen. Und dies, obwohl sie meist nur kurz leben und ihnen die scheinbar einfache Aufgabe zukommt, eine Eizelle zu finden und zu befruchten. Hindernisse und Konkurrenz auf dem Weg zum Ei erschweren ihnen allerdings das Leben. Wenn sich ein Weibchen mit mehreren Männchen paart, entsteht unter den Spermien ein Wettstreit, bei dem jene im Vorteil sind, die zum Beispiel flinker unterwegs oder schlicht in der Überzahl sind. Oft baut das Weibchen zudem Schikanen ein, damit nur fitte Spermien zur Befruchtung gelangen. Die unterschiedlichen Interessen der Partner führen zu sexuellen Konflikten und resultieren in einem koevolutionären Wettkampf, bei dem es darum geht, wer die Kontrolle über die übertragenen Spermien behält.

Lieber Männchen als Weibchen

Bei Simultan-Zwittern wie den Plattwürmern und vielen Schnecken, die gleichzeitig männlich und weiblich sind, müssten solche Konflikte eigentlich schwächer sein. Andererseits haben bei Zwittern beide Partner oft eine Präferenz für die männliche Geschlechterrolle. Sie geben lieber Spermien ab, als ihre Eizellen vom Partner befruchten zu lassen und dann den Nachwuchs produzieren zu müssen. Um eine unfreiwillige Rolle als Weibchen zu verhindern, haben solche Zwitter daher verschiedene Strategien entwickelt. An Plattwürmern hat das internationale Forscherteam diese Strategien und ihre Auswirkung auf die Form der Spermien nun untersucht.

Ein sich reziprok verpaarendes Pärchen der freilebenden Plattwurm-Art Macrostomum lignano © Universität Basel

Widerhaken gegen nachträglichen Spermien-Rauswurf

Eine von zwei Lösungen ist, sich wechselseitig zu paaren, das heißt bei jeder Paarung sowohl die männliche wie die weibliche Rolle auszuüben, und sich erst nachher darum zu kümmern, wie man unerwünschte Spermien wieder los wird. Dieses Szenario beobachtete ein Forschungsteam unter der Leitung von Lukas Schärer vom Zoologischen Institut der Universität Basel bei einer Art der Plattwurmgattung Macrostomum. Diese Würmer scheinen nach der gegenseitigen Paarung die empfangenen Spermien mit dem Mund wieder aus der eigenen weiblichen Geschlechtsöffnung herauszusaugen. Da der Samenspender aber kein Interesse daran hat, dass dies gelingt, haben seine Spermien zwei Widerhaken, welche vermutlich dieses Heraussaugen erschweren.

Injektionsnadel sticht Spermien unter die Haut

Die zweite, ganz andere Lösung besteht darin, dem Partner ohne sein Einverständnis eine Ladung Spermien zu übertragen, während man selber versucht, keine abzubekommen. Dieses Szenario ist bei einer anderen Macrostomum-Art verwirklicht, bei der das Kopulationsorgan einer Injektionsnadel gleicht. Damit injizieren die Würmer ihre Spermien direkt unter die Haut des Partners, wo sie durchs Gewebe zur Eizelle kriechen. Widerhaken wären dabei wohl eher hinderlich, und so fehlen sie bei dieser Art denn auch.

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Die artenreiche Gattung Macrostomum erlaubt, aussagekräftige vergleichende Studien durchzuführen, und die Forschenden konnten zeigen, dass viele Arten morphologisch klar in das eine oder andere Szenario fallen. Aufgrund von molekulargenetischen Verwandschaftsanalysen, die mit Wissenschaftlern des Naturhistorischen Museums in London und der japanischen Hirosaki- Universität erarbeitet wurden, konnten sie belegen, dass die Besamung unter die Haut zweimal unabhängig entstanden ist und zu einer erstaunlichen Ähnlichkeit in der morphologischen Ausprägung der Geschlechtsorgane und der Spermien dieser nur entfernt verwandten Arten geführt hat. Dies lässt interessante Schlüsse über die Faktoren zu, welche die Evolution der Spermien bestimmen. (PNAS, 2011, ahead of print; doi: 10.1073/pnas.1013892108)

(Universität Basel, 12.01.2011 – NPO)

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