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Physik

Taster zeigt „Canyons im Nanokosmos“

Neues Verfahren ermittelt erstmals Oberflächenstrukturen auch weicher Kunststoffe

Form und Anordnung kristalliner Lamellen unter der Oberfläche von elastomerem Polypropylen. © TU Chemnitz

Physiker haben einen vermeintlichen Nachteil der Rasterkraftmikroskopie für ein neues Verfahren eingesetzt: Sie nutzten das leichte Eindringen der Tastpitze, um auch die knapp unter der Oberfläche verborgenen Strukturen weicher Kunststoffe abzutasten und abzubilden. Mit der neuen zerstörungsfreien Messmethode lässt sich die Oberflächenstruktur auch weicher Materialien erstmals genauer bestimmen.

Um weiche Oberflächen von Kunststoffen, Flüssigkeiten oder lebenden Zellen abbilden zu können, nutzen Forscher weltweit die Rasterkraftmikroskopie im Tastmodus. Dabei wird die Form der Oberfläche zeilenweise mit einer sehr feinen, vibrierenden Spitze abgetastet, die dabei teilweise wenige Nanometer tief in die weiche Oberfläche eindringt. Dieses geringe Eindringen der Spitze wurde bisher als ein unerwünschter Nebeneffekt dieser Messmethode angesehen und die Darstellung der Oberfläche war nur als Fläche möglich.

Vibrierende Spitze ertastet Struktur unter der Oberfläche

Ein Forscherteam um Eike-Christian Spitzner, Christian Riesch und Professor Robert Magerle von der Technischen Universität Chemnitz hat nun jedoch den vermeintlichen Nachteil, das Eindringen der Spitze, genutzt, um erstmals auch die oberflächennahen Schichten weicher Kunststoffe räumlich abzutasten und darzustellen.

Das von den Physikern entwickelte Messverfahren funktioniert ähnlich wie das Abtasten eines Handrückens: Die vibrierende Spitze berührt die Oberfläche wie ein Finger die Handoberfläche. Bei etwas mehr Druck gibt das weiche Gewebe unter der Haut nach und mit dem Finger können harte und weiche Stellen unter der Oberfläche ertastet werden. Wird der Finger zurückgezogen, nimmt das Gewebe des Handrückens wieder seine ursprüngliche Form an. Auch die Spitze des Rasterkraftmikroskops kann problemlos bis zu einem gewissen Punkt in die Oberfläche des weichen Kunststoffes eindringen, ohne sie dauerhaft zu verformen.

Gummi als Canyon-Landschaft im Nanokosmos

Mit dieser neuen Messmethode haben die Chemnitzer Forscher unter anderem elastomeres Polypropylen (ein synthetisches Gummi) untersucht und unter seiner Oberfläche die Form nur 15

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Nanometer breiter kristalliner Lamellen ertastet, die wie eine Canyon-Landschaft im Nanokosmos aussieht. Die Breite der „Höhenzüge“ ist etwa 2.000 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares.

Die Physiker konnten zeigen, dass die Oberfläche des Kunststoffs völlig glatt ist und die harten, kristallinen Lamellen fünf bis 15 Nanometer unter einer weichen Schicht von amorphem Polypropylen liegen. Die Oberkante der Lamellen ist dabei nicht glatt, sondern es konnten Fugen zwischen den etwa 20 Nanometer großen kristallinen Blöcken ertastet werden, die – um beim Vergleich mit dem Handrücken zu bleiben – den Knöcheln entsprechen.

Die neue Messmethode ist zerstörungsfrei und kann vielfältig für die Analyse von Kunststoffoberflächen eingesetzt werden. Sie verspricht neue Einblicke unter die Oberfläche weicher Materialien, die für das Verständnis ihrer Oberflächeneigenschaften wie Haftung und Reibung entscheidend sind. (ACS Nano, 2010 DIO: http://dx.doi.org/10.1021/nn1027278)

(Technische Universität Chemnitz, 03.01.2011 – NPO)

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