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Ökologie

Rätsel um Orchideen-Vielfalt gelöst

Wechselwirkungen mit anderen Lebewesen machten Pflanzen so erfolgreich

Verschiedene Orchideenarten aus der Gruppe der Coryciinae nutzen dieselbe Biene für die Pollenübertragung, indem sie ihren Pollen auf verschiedenen Abschnitten des Bienenkörpers platzieren. Hier eine Biene der langbeinigen Spezies Rediviva longimanus, im Anflug auf eine Orchidee der Spezies Pterygodium pentherianum. © Anton Pauw / University of Stellenbosch

Insgesamt 22.500 Orchideenarten gibt es heute auf der Erde. Doch wie ist diese ungewöhnliche Artenvielfalt zu erklären? Einem internationalen Wissenschaftlerteam ist es jetzt gelungen, die Ursachen dafür entscheidend weiter aufzuklären.

Danach spielen Wechselwirkungen der Orchideen mit anderen Lebewesen wie Insekten und Pilze eine wichtige Rolle dabei, dass Orchideen in so großer Diversität entstanden sind und nebeneinander existieren können. Dies berichten die Wissenschaftler aus Südafrika, den USA, Großbritannien und Deutschland im Forschungsmagazin „The American Naturalist“.

Eine Hand wäscht die andere

„Eine Hand wäscht die andere“ – dieses Prinzip des wechselseitigen Nutzens gilt, wie die Forschung schon seit 200 Jahren weiß, auch in der Welt der Tiere, Pflanzen und Pilze. Insekten sichern den Fortbestand von Pflanzen, indem sie deren Pollen von einer Blüte zur nächsten transportieren.

Während der Bestäubung ernähren sie sich vom Nektar, den die Pflanzen in ihren Blüten absondern. Im Boden wiederum bilden sich Wurzel-Pilz-Netzwerke, in denen Pilze den Pflanzen lebenswichtige Mineralien zuliefern. Als Gegenleistung werden sie von ihnen mit Zucker versorgt.

52 Orchideenarten im Visier

Die Forschergruppe um Professor Gerhard Gebauer von der Universität Bayreuth hat beide Formen der Wechselwirkung mit anderen Organismen hinsichtlich der Frage verglichen, ob und wie sie sich auf die Artenvielfalt im Pflanzenreich auswirken. Die Untersuchungen konzentrierten sich dabei auf 52 Orchideenarten, die in Südafrika zuhause sind und der Gruppe der Coryciinae angehören. Alle diese Arten produzieren in ihren Blüten Ölsekrete. Bienen sammeln das Öl, um damit ihre Larven zu ernähren, und übertragen dadurch die Pollen der Orchideen.

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Das Ergebnis des Projekts: Unterschiedliche Mechanismen, durch die Orchideen und Bienen bei der Bestäubung miteinander in Kontakt kommen, aber auch die Artenvielfalt der Bienen tragen ursächlich dazu bei, dass neue Orchideenarten entstehen. Unterirdische Stoffaustauschprozesse mit Pilzen haben hingegen keinen Einfluss auf die Entstehung neuer Orchideenarten, so die Forscher. Wohl aber tragen sie dazu bei, dass Orchideenarten in großer Vielfalt gemeinsam am selben Standort wachsen und gedeihen können.

Unterirdisch mit Pilzen verbunden

Diese neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Frage, wie Austauschprozesse mit Pilzen die Artenvielfalt der Orchideen beeinflussen, sind möglich geworden durch das Labor für Isotopen-Biogeochemie der Universität Bayreuth. Hier werden insbesondere Isotope des Stickstoffs und Kohlenstoffs schon seit vielen Jahren dafür eingesetzt, Nährstoff-Flüsse innerhalb von Ökosystemen zu analysieren und in Beziehung zur Verbreitung von Pflanzen- und Pilzarten zu setzen. Isotope sind Atome, die sich allein durch die Anzahl der Neutronen im Atomkern unterscheiden.

Für die neue Studie entnahmen die Forscher nun Vegetationsproben in drei südafrikanischen Regionen. Die isotopenchemischen Analysen führten zu dem Ergebnis, dass Orchideenarten, die nur entfernt miteinander verwandt sind, verschiedene Pilzarten als Partner wählen. So können sehr unterschiedliche Orchideenspezies in räumlicher Nachbarschaft leben, ohne dass sie sich lebenswichtige Nährstoffe streitig machen.

Falls sich diese Orchideen dann weiterverbreiten, kooperieren sie den Wissenschaftlern zufolge mit den gleichen Pilzarten, von denen sie auch in ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten mit Mineralien versorgt wurden. Ein Unterschied zeigt sich allerdings im Vergleich mit nahe verwandten Orchideenarten: Diese suchen sich meistens Pilze der gleichen Art als Partner, so dass sie bei der Mineralstoffversorgung miteinander im Wettbewerb stehen.

Bienen als Pollenüberträger

Orchideen sind die artenreichste Pflanzenfamilie. Wie konnten weit mehr als 20.000 Orchideen-Arten aus einer einzigen „Ur-Orchidee“ hervorgehen, von der Evolutionsbiologen annehmen, dass sie möglicherweise erst vor rund 80 Millionen Jahren existiert hat? Die Wegbereiter dieser schnellen Ausdifferenzierung sind, wie das internationale Forscherteam zeigen konnte, die Bienen.

Wenn nämlich Orchideen in neue Standorte vordringen, müssen sie sich häufig an die dort lebenden anderen Bienenarten anpassen, damit der Transport der Pollen gewährleistet ist. Aus diesen Anpassungsleistungen können neue Orchideenarten entstehen.

Hinzu kommt jedoch noch ein weiterer Aspekt: Verschiedene Orchideenarten, die in enger Nachbarschaft leben und von Bienen derselben Art bestäubt werden, platzieren ihre Pollen an unterschiedlichen Stellen derselben Biene – beispielsweise auf verschiedenen Abschnitten ihres Vorderbeins. Diese Beobachtung spricht nach Ansicht der Wissenschaftler für die Annahme, dass das Bestreben der Orchideen, den Körper der Bienen optimal für die Pollen-Übertragung zu nutzen, erheblich zur Herausbildung verwandter Orchideenarten beigetragen hat.

Artenvielfalt durch Interaktionen mit anderen Lebewesen

Wechselwirkungen mit anderen Lebewesen haben eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Entstehung und Bewahrung der Artenvielfalt. Dieser grundsätzliche Aspekt ihres Forschungsprojekts ist für Gebauer und seine Kollegen von besonderer Aktualität.

„Infolge des Klimawandels werden sich in zahlreichen Regionen der Erde die Voraussetzungen für das Zusammenwirken von Pflanzen, Tieren und Pilzen ändern. Schon heute ist beispielsweise zu beobachten, dass sich die Qualität der Böden vielerorts verschlechtert und Insektenarten aussterben“, erklärt Gebauer. „Wenn dadurch die Spielräume für Interaktionen zwischen verschiedenen Lebewesen sinken, ist davon die Artenvielfalt möglicherweise stärker betroffen, als man bisher vermutet hat.“

(Universität Bayreuth, 23.12.2010 – DLO)

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