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Neurobiologie

Warum Stress nicht jeden krank macht

Forscher identifizieren mögliche Ursache für unterschiedliche Stressanfälligkeit

Sowohl Menschen als auch Tiere reagieren auf Stress unterschiedlich. Jetzt haben Forscher einen bestimmten Rezeptor im Gehirn als mögliche Ursache für diese Unterschiede identifiziert. An diesen Rezeptor bindet der Botenstoff Glutamat, der für die Vermittlung von Nervenimpulsen verantwortlich ist. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Journal of Neuroscience“ veröffentlichte Entdeckung könnte in Zukunft dabei helfen, das individuelle Risiko für stressassoziierte Krankheiten zu ermitteln.

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Sowohl Menschen als auch Tiere reagieren auf Stress unterschiedlich. Während manche bei Dauerbelastung Krankheitssymptome zeigen, sind andere gegen Stress resistent und werden nicht krank. Die individuelle Stresstoleranz ist dabei im Wesentlichen von der biologischen Konstitution abhängig. Die molekularen Mechanismen sind jedoch bisher weitgehend unbekannt.

Eine Forschergruppe um Matthias Schmidt am Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie hat nun im Experiment an Mäusen herausgefunden, dass die Fähigkeit zum Umgang mit Stress von der Zusammensetzung des so genannten AMPA-Rezeptors im Gehirn beeinflusst wird. Der Rezeptor besteht aus vier Untereinheiten, GluR1 bis GluR4, und dient als Bindungspartner für den Nervenbotenstoff Glutamat. Als Ionenkanal vermittelt er die Weiterleitung von elektrischen Impulsen zwischen Nervenzellen und kann somit Wahrnehmung, Empfinden, Reaktionen und Verhalten beeinflussen.

Mäuse im Rangordnungsstress

Für ihre Studie setzten die Wissenschaftler junge Mäuse mehrere Wochen lang sozialem Stress aus. Hierfür konfrontierten sie die in Kleingruppen lebenden Tiere alle drei bis vier Tage mit neuen Artgenossen, so dass diese die hierarchischen Strukturen innerhalb der Gruppe immer wieder neu ausfechten mussten. Dies führt zu einer hormonell messbaren Stressreaktion, die bei den stressresistenten Tieren am Ende der chronischen Belastung wieder abklingt. Bei stressempfindlichen Tieren jedoch sind die Stresshormone dauerhaft erhöht, ähnlich wie beispielsweise auch bei Patienten mit Depression.

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Rezeptor verändert Ionenfluss und Hirnaktivität

Interessanterweise zeigten Verhaltensstudien, dass die Zusammensetzung des AMPA-Rezeptors und damit die Stressresistenz mit messbaren Änderungen im Kurzzeitgedächtnis korreliert. Die spezifische Zusammensetzung aus den Untereinheiten GluR1 und GluR2 ist wichtig für die Fähigkeit des Rezeptors, Kalzium-Ionen in die Zelle fließen zu lassen und einen elektrischen Impuls auszulösen. Dies verändert die neuronale Kommunikation im Gehirn. Wie sich in den Versuchen zeigte, führt ein GluR2-reicher AMPA-Rezeptor in der Maus auch ohne Stresseinwirkung zu veränderter neuronaler Aktivität sowie zu schlechteren Gedächtnisleistungen.

Ließe sich diese Korrelation beim Menschen als Biomarker nutzen, um auf die Beschaffenheit des AMPA-Rezeptors zu schließen, so könnte dies helfen, das individuelle Risiko für stressassoziierte Krankheiten zu ermitteln. Darüber hinaus sollen weitere Studien prüfen, ob sich eine spezifische Wirkverstärkung des AMPA-Rezeptors in Zukunft therapeutisch nutzen lässt.

(Max-Planck-Gesellschaft, 30.12.2010 – NPO)

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