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Biologie

An Essen denken macht satt

Studie: Imaginärer Nahrungskonsum reduziert tatsächlichen

Falls Sie abnehmen wollen, dürfen Sie ruhig an ihre Lieblings-Süßigkeiten denken. Ja, Sie sollten sich sogar lebhaft vorstellen, alles bis auf den letzten Bissen genüsslich zu vertilgen – als Bestandteil Ihrer Diät! Denn eine neue Studie amerikanischer Forscher im Wissenschaftsjournal „Science“ zeigt, dass man weniger von einer bestimmten Nahrung zu sich nimmt, wenn man sich vorher vorstellt, diese Speise zu essen.

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Diese bahnbrechende Entdeckung revidiert die bis heute weitgehend akzeptierte Annahme, dass an Essen Denken hungrig macht, schreiben die Wissenschaftler der Carnegie Mellon Universität (CMU) in Science.

Imaginärer und tatsächlicher Konsum

Ausgehend von früheren Forschungsergebnissen, die zeigen, dass der Wahrnehmung und der mentalen Vorstellung dieselben neuronalen Prozesse zu Grunde liegen und sie somit vergleichbare Auswirkungen auf emotionales und motorisches Verhalten haben, untersuchte das CMU Forscherteam die Auswirkungen, die der wiederholte imaginäre Konsum einer Speise auf ihren tatsächlichen Konsum hat. Die Ergebnisse belegen, dass die bloße Vorstellung, eine Speise zu essen, den Appetit auf diese Speise verringert.

Gedanken an begehrte Speisen nicht unterdrücken

„Unsere Resultate zeigen, dass es grundsätzlich verkehrt ist, die Gedanken an begehrte Speisen zu unterdrücken, um seinen Appetit zu zügeln“, sagt Carey Morewedge, Professor für Sozial- und Entscheidungswissenschaften und Hauptautor der Studie.

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„Unsere Versuche zeigen hingegen, dass Menschen, die sich die Nahrungsaufnahme bestimmter Süßigkeiten oder Nahrungsmittel – wie zum Beispiel M&Ms oder Käsestückchen – in größeren Mengen vorstellten, daraufhin weniger dieser Nahrungsmittel zu sich nahmen als Menschen, die sich das Essen dieser Nahrungsmittel nur vereinzelt vorstellten oder eine andere vergleichbare mentale Leistung erbrachten.“

Die Wissenschaftler hoffen, dass die neuen Ergebnisse dabei helfen, Strategien zur Dämpfung des Verlangens nach ungesundem Essen, Drogen und Zigaretten zu entwickeln. Sie könnten aber auch dazu beitragen, die Menschen in Zukunft bei der gesunden Essensauswahl zu unterstützen.

Von M&Ms und Waschautomaten

Die Forschergruppe, zu der auch Young Eun Huh und Joachim Vosgerau gehörten, führte in der neuen Studie eine Serie von fünf Experimenten durch. Im ersten stellten sich alle Probanden vor, bestimmte Aktivitäten 33-mal hintereinander auszuführen. Die erste Kontrollgruppe warf imaginär 33 Münzen in einen Waschautomaten. Diese Tätigkeit ist in etwa vergleichbar mit der Armbewegung ein M&M zum Mund zu führen.

Eine zweite Kontrollgruppe spielte gedanklich ein Szenario durch, bei dem sie 30 Münzen in einen Waschautomaten einstecken mussten und dann drei M&Ms aßen. Die Experimentalgruppe schließlich stellte sich vor, nur drei Münzen und dann nacheinander 30 M&Ms genüsslich zu verspeisen. Danach wurde allen Probanden eine Schüssel voll M&Ms angeboten, von denen sie so viel essen konnten, wie sie wollten. Ergebnis: Die Testpersonen aus der Experimentalgruppe aßen erheblich weniger M&Ms als die Probanden der beiden Kontrollgruppen.

Um sicher zu gehen, dass die Ergebnisse von der Anzahl der imaginär konsumierten M&Ms und nicht etwa von den Kontrolltätigkeiten abhingen, veränderten die Forscher im nächsten Experiment sowohl die Tätigkeit (Münzeinwurf bzw. das Essen von M&Ms) als auch die Anzahl systematisch. Das Resultat blieb gleich: Wieder futterten die Testpersonen, die sich den Konsum von vielen M&Ms vorgestellt hatten, weniger M&Ms als die der anderen Gruppen.

Drei weitere Experimente

Doch auch damit nicht genug. Drei weitere Experimente belegten darüber hinaus, dass der Konsumrückgang auf den psychologischen Mechanismus der Habituierung – eine graduelle Abnahme der Motivation mehr von einer Speise zu verzehren – zurückzuführen ist, und nicht etwa auf alternative Prozesse wie beispielsweise Priming (die Aktivierung des semantischen Konzepts „Sättigung“) oder eine empfundene Abnahme der Schmackhaftigkeit der Speise.

Insbesondere zeigten die Experimente nach Angaben der Wissenschaftler, dass ausschließlich die Vorstellung ein bestimmtes Lebensmittel zu essen, den darauf folgenden Konsum genau dieser Speise reduziert. Nur das wiederholte Denken an diese Mahlzeit wie auch die Vorstellung, eine andere Speise zu essen, zeigten keinen signifikanten Einfluss auf den nachfolgenden Konsum dieses „Leckerbissens“.

Vorstellung einer Erfahrung ersetzt tatsächliche Erfahrung

„Habituierung ist einer der fundamentalen Prozesse, die bestimmen, wie viel wir konsumieren, wann wir aufhören, und wann wir dazu übergehen, etwas anderes zu konsumieren“, erklärt Vosgerau. „Unsere Ergebnisse belegen, dass Habituierung nicht nur von den sensorischen Empfindungen wie Sehen, Schmecken, Riechen oder Tasten abhängt, sondern auch davon, wie die Erfahrung mental repräsentiert ist. Zu einem gewissen Grad ist die reine Vorstellung einer Erfahrung ein Ersatz für tatsächliche Erfahrung. Der Unterschied zwischen mentaler Vorstellung und tatsächlicher Erfahrung mag sehr viel kleiner sein als bisher angenommen.“

Ein weiteres Ergebnis dieser Studie ist den Forschern zufolge die Entdeckung, dass auch in Abwesenheit sensorischer Nahrungsaufnahme die mentale Vorstellung allein Habituierung verursachen kann, dass also rein imaginäre Erfahrungen die dazugehörigen Verhaltenskonsequenzen auslösen können.

(Carnegie Mellon University, 10.12.2010 – DLO)

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