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Genetik

Gendefekt macht gleich doppelt krank

Mutation führt zu Taubheit und Herzstörung

Auf den ersten Blick haben Hören und Herzrhythmus wenig miteinander zu tun. Dass die Funktionen beider Organe sehr wohl eng gekoppelt sind, hat jetzt jedoch ein internationales Forscherteam herausgefunden.

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Die Wissenschaftler berichten in ihrer neuen Studie in der Fachzeitschrift „Nature Neuroscience“, dass eine Mutation des Gens CACNA1D – und der damit verbundene Funktionsverlust des Calcium-Kanals Cav1.3 – nicht nur eine angeborene Taubheit, sondern auch subjektiv weitgehend unbemerkte Herzrhythmusstörungen auslöst.

Zwei pakistanische Großfamilien untersucht

Der Calcium-Kanal spielt eine entscheidende Rolle bei der Umwandlung von Schallwellen in elektrische Signale im Innenohr und steuert gleichzeitig die Herzfrequenz im Sinusknoten, dem wichtigsten Schrittmacher des Herzens. Nach Ansicht der Forscher sollten alle Patienten mit unklarer angeborener Taubheit deshalb auch ihr Herz untersuchen lassen.

Die Mediziner um Hanno J. Bolz vom Institut für Humangenetik der

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Uniklinik Köln entdeckten den Gendefekt bei der Untersuchung zweier pakistanischer Familien mit vielen tauben Angehörigen. Das neue Syndrom heißt „SANDD“: Sinoatrial Node Dysfunction and Deafness.

Von Mäusen und Menschen

„Von Mäusen war bekannt, dass der Funktionsverlust des Gens nicht nur zu Taubheit, sondern auch zu Herzrhythmusstörungen führt. Wir führten darauf EKG-Untersuchungen bei Patienten mit CACNA1D–Mutationen durch und stellten fest, dass sie tatsächlich auch eine Herzrhythmusstörung mit deutlich erniedrigter Ruheherzfrequenz aufwiesen“, so Bolz. Diese betrug teilweise kaum mehr als 30 Schläge pro Minute – der normale Ruhepuls liegt bei etwa 70 Schlägen pro Minute.

Häufigkeit des SANDD-Syndroms unbekannt

„Wir wissen noch wenig über die Häufigkeit des SANDD-Syndroms bei Menschen mit Hörstörungen“, so Bolz. Da die Herzrhythmus-Störung von keinem der Patienten bemerkt worden war, ist denkbar, dass bei einigen Patienten, bei denen eine isolierte Hörstörung diagnostiziert wurde, ein SANDD-Syndrom vorliegt.

Auch wenn es sich offenbar um eine gutartige Form der Herzrhythmusstörung handelt, sollten die neuen Erkenntnisse Anlass sein, alle Menschen mit unklarer angeborener Hörstörung kardial zu untersuchen – eine erste wichtige Information erhält man bereits durch das Tasten des Ruhepulses. „Ist dieser auffällig niedrig oder unregelmäßig, so sollte man dem durch Ableitung eines Langzeit-EKGs nachgehen“, so Bolz. Eine Mutationsanalyse im CACNA1D-Gen kann dann klären, ob das SANDD-Syndrom vorliegt.

Angeborene Hörstörungen

Ein großer Teil der angeborenen Hörstörungen ist genetisch bedingt. Weil aber Mutationen in vermutlich mehr als 100 Genen ursächlich sein können, ist eine genetische Diagnosestellung heute noch eher die Ausnahme.

Dazu Bolz: „Durch die immensen Fortschritte im Bereich neuer Hochdurchsatz-Sequenziertechnologien sind diese Probleme lösbar geworden. Dadurch wird die simultane Analyse aller bekannten Hörstörungsgene möglich, und somit können SANDD-Patienten in Zukunft über einen solchen ‚genotype-first‘-Ansatz erkannt werden.“

(doi:10.1038/10.1038/nn.2694)

(Universität Köln / Universität Innsbruck, 07.12.2010 – DLO)

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