Von Bakterien infizierte Zellen können ihre Nachbarn trotz der Blockade durch die Mikroben über die Infektion informieren. Den Mechanismus dafür haben jetzt Schweizer Forscher entdeckt. Wie sie im Fachjournal „Immunity“ berichten, spielen winzige Kanäle in der Zellmembran, die „gap junctions“ dafür eine entscheidende Rolle. Diese Zell-Zell- Kommunikation ermöglicht eine schnelle Potenzierung der Abwehrreaktion.
Das Bakterium Shigella flexneri befällt beim Menschen die Zellen der Darmschleimhaut und löst eine schwere Durchfall-Erkrankung – eine sogenannte Shigellose – aus, welche bis zum Tod führen kann. Der Erreger lähmt beim Befall einer Zelle deren Signalfunktionen, so dass keine Immunabwehr ausgelöst werden kann. Dadurch bleibt eine Entzündung, eine zentrale Reaktion des Immunsystems gegen Infektionen, aus.
Zelle kommuniziert trotz Blockade
Professor Cécile Arrieumerlou vom Biozentrum der Universität Basel und seine Kollegen konnten nun mithilfe von Fluoreszenzmikroskopie jedoch belegen, dass die Abwehrreaktion der infizierten Zelle zwar unterdrückt wird, die Nachbarzellen jedoch sehr wohl eine Immunabwehr auslösen. Offenbar schaffen es die befallenen Zellen doch, die hemmende Wirkung der Bakterien auf ihre Kommunikation zu umgehen. Das und wie dies geschieht, war bisher unbekannt.
Die Forscher des Biozentrums konnten zeigen, dass die Nachbarzellen bereits während der ersten 30 Minuten nach der Infektion Signale von der infizierten Zelle erhalten. Die gesunden Zellen lösen darauf eine Immunantwort aus, indem sie das Protein IL-8, einen wichtigen Botenstoff des Immunsystems, herstellen und sekretieren. Die Wissenschaftler beobachteten, dass bis zu 25 Zellen im Umfeld einer einzelnen infizierten Zelle eine Immunantwort auslösen. Der neu entdeckte Mechanismus stellt daher für den Organismus auch eine Möglichkeit dar, die Immunreaktion während einer Infektion zu potenzieren.
Informationsfluss via “gap junctions”
Ausgelöst wird die „kollektive Immunantwort“ durch einen Informationsaustausch unter den Zellen. Die Zell-Zell-Kommunikation erfolgt dabei über kleine Kanäle, sogenannte gap junctions, welche sich in der Zellmembran befinden und benachbarte Zellen miteinander verbinden. Blockiert man diese Kanäle, unterbindet man den Informationsfluss und die Immunantwort bleibt aus. Funktionieren die Kommunikationswege hingegen, werden die Nachbarzellen über die Infektion informiert und können die lebenswichtige Immunabwehr auslösen. Die Resultate der Basler Forschungsgruppe weisen darauf
hin, dass diese Art der Zell-Zell- Kommunikation in der Bekämpfung von Krankheitserregern eine wesentliche Rolle spielt.
Dieses Wissen eröffnet neue Möglichkeiten in der infektionsbiologischen Forschung. Ein besseres Verständnis für Strategien des menschlichen Körpers zur Bekämpfung von Krankheiten ist auch für die Suche nach neuen Medikamenten unverzichtbar. Offen ist zurzeit, welchen Botenstoff infizierte Zellen einsetzen, um ihre Nachbarzellen zu alarmieren. Diese Fragestellung steht daher im Zentrum der
weiteren Forschungsarbeit.
(Universität Basel, 25.11.2010 – NPO)