Nicht nur die biologischen, auch die physikalischen Eigenschaften von Krebszellen beeinflussen maßgeblich, wie sich ein Tumor ausbreitet und ob er Tochterzellen absiedelt. Wie Forscher in „Nature Physics“ berichten, ist es jetzt gelungen, die Veränderungen im Zellskelett zu identifzieren, die es den Krebszellen ermöglichen, sich im Gewebe durchzusetzen. Diese Erkenntnisse bieten damit auch neue Ansätze für zukünftige Therapien.
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In den Industrieländern macht Gebärmutterhalskrebs bis zu einem Drittel aller gynäkologischen Krebserkrankungen aus, in Entwicklungsländern noch weit mehr. Bisher wird der Gebärmutterhalskrebs meist nach der Wertheim-Methode radikal operiert, der Operateur entfernt möglichst umfassend erkranktes und angrenzendes Gewebe, darauf folgt meist noch eine Bestrahlung.
Operation bisher unnötig umfassend
„Die Resektion des Tumors zusammen mit einem Kokon gesunden Gewebes war das Dogma der Krebschirurgie, denn es galt als erwiesen, dass sich der Tumor in alle Richtungen ausbreitet und sich dabei nicht von Gewebegrenzen zurückhalten lässt“, sagt Professor Michael Höckel, Direktor der Universitätsfrauenklinik Leipzig. Höckels Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Leipzig fand jedoch heraus, dass Tumoren über lange Phasen ihres Wachstums sehr wohl auf ein embryologisch festgelegtes Gewebekompartiment beschränkt bleiben: Gebärmutterhalskrebs etwa breitet sich in einer Gewebeeinheit von Gebärmutter, Scheide und komplex geformtem Füllgewebe aus.
Auf Basis dieser Erkenntnis entwickelten die Mediziner eine neue, auf diese Gewebe beschränkte Operationsform (Totale mesometriale Resektion), die sich bereits bewährt hat: Sie senkte die Rate von Rückfällen deutlich, erhöhte die Heilungsrate auf 96 Prozent und ist zugleich schonender für die Patientin.
Zellskelett anders als bei normalen Zellen
Aber warum bleiben die Krebszellen in diesem Gewebetyp? Die biophysikalischen Bedingungen für die Tumorausbreitung erkundeten die Forscher zusammen mit Josef A. Käs, Professor für Experimentelle Physik. Dabei zeigt sich, dass Krebszellen ein schwächeres äußeres Zellskelett als andere Zellen haben. Dehnte der Krebs sich wie ein Ballon aus, würde er allein aus physikalischen Gründen vom umgebenden Gewebe erdrückt. In Krebszellen sind deshalb Elemente des Zellskeletts betont, die es erlauben, dass sich der Tumor verhärtet und gegen den äußeren Druck anwachsen kann. Für Käs bieten diese veränderten Bausteine des so genannten Zytoskeletts einen Ansatz für zukünftige Krebstherapien.
Neue Ansätze auch gegen Metastasen
Darüber hinaus interessiert die Forscher der Universität Leipzig die Fähigkeit von Krebszellen, den Tumor zu verlassen: Sie zwängen sich aktiv durch das umgebende Gewebe, dringen in ein Blutgefäß ein und bilden an entfernten Orten Metastasen. Auch hier helfen Veränderungen im Zytoskelett den Zellen, ihren Weg zu finden und im Zielgewebe Fuß zu fassen. Aus der weiteren Erforschung dieser Vorgänge könnten sich entscheidende Fortschritte in der Behandlung von Krebserkrankungen ergeben, hoffen die Wissenschaftler. Denn die meisten Todesfälle bei Krebserkrankungen sind Folge der Metastasen-Bildung.
(Universität Leipzig, 10.11.2010 – NPO)