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Klima

Klimawandel: Gebirge als Refugium?

Berghänge entpuppen sich als extrem vielfältige Ansammlung von Mikrolebensräumen

Das Falschfarbenbild zeigt sehr unterschiedliche Temperaturen und damit vielfältige Lebensräume innerhalb des Hangs. © Botanisches Institut

Bisher galten Tiere und Pflanzen der Hochgebirge als besonders durch den Klimawandel bedroht. Doch Schweizer Forscher haben nun entdeckt, dass die Berghänge möglicherweise sogar zu einer besonders artenreichen Zuflucht werden könnten. Der Grund: Die extrem kleinteilige Struktur der Gebirgslandschaft schafft zahlreiche Mikrolebensräume mit großen Temperaturvariationen. Diese in der Fachzeitschrift „Journal of Biogeography“ erschienene Erkenntnis unterstreicht die Schutzwürdigkeit der Berglebensräume.

Für alle Organismen, die an einen speziellen Lebensraum angepasst sind, kann eine Klimaerwärmung fatale Folgen haben, wenn sie nicht davonlaufen oder fliegen können. Wissenschaftler gingen daher bisher davon aus, dass dies für Gebirgsorganismen im besonderen Maß zutrifft und sie deshalb vom aktuellen Klimawandel besonders hart betroffen sind. Doch Daniel Scherrer und Christian Körner von der Universität Basel widerlegen diese Annahme nun mit ihrer neuen Studie.

Zwei Sommer lang haben die Basler Forscher Berghänge im Furkagebiet auf 2.500 Meter über dem Meeresspiegel mit einer Spezialkamera abgetastet, die in einer Aufnahme die Temperatur von 76.000 Punkten in der Landschaft mittels Infrarot-Themographie erfassen kann. Tausende dieser Bilder ergaben feste Temperaturmosaike in der Landschaft – am Tag wie in der Nacht – mit überraschenden Erkenntnissen: Auf kleinstem Raum von wenigen Metern Fläche können sich Mikrolebensräume in ihrer Temperatur um bis zu sieben Grad unterscheiden.

Zahlreiche thermische Nischen

Je nach Hangneigung und Hangrichtung zur Sonne und je nach Rauhigkeit der Vegetationsoberfläche ergaben sich warme und kalte Kleinstlebensräume, wie man sie im Tiefland oder in den Wäldern nicht kennt. Aus Messungen mit Thermometern weiss man seit Langem, dass die Temperaturen von Pflanzen und kleinen Tieren punktuell stark von der Luft abweichen können. Dennoch war überraschend, dass derart starke Unterschiede über die ganze schneefreie Zeit der alpinen Landschaft quasi eingraviert sind. Die Hochgebirgslandschaft bietet demnach auf kleinstem Raum durchaus Fluchtmöglichkeiten vor zu warmen Bedingungen.

Verlust von nur drei Prozent der Nischen

Die Autoren simulierten mit einem Computer, wie sich die Lebensbedingungen im Gebirge verändern könnten, wenn die Luft zwei Grad wärmer wird. Das Resultat war, dass nur gerade drei Prozent aller thermischer Nischen verloren gehen, auch wenn insgesamt das Flächenausmaß kühler Flächen zurückgeht. Entscheidend ist jedoch, dass die Mehrzahl der thermischen Nischen und damit wahrscheinlich die Biodiversität erhalten bleiben. Es entstehen aber zusätzlich wärmere Kleinlebensräume, die sogar eine lokale Biodiversitätszunahme bewirken können.

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Die Daten zeigen zudem, dass Klimadaten von Wetterstationen die tatsächlichen Lebensbedingungen im Hochgebirge schlecht bis gar nicht wiedergeben. Aus früheren erdgeschichtlichen Epochen ist bekannt, dass Berge wegen der Vielfalt der Lebensräume immer wichtige Rückzugsgebiete für Pflanzen und Tiere waren. Sie verdienen daher besonderen Schutz, wenn sich rasche Klimaänderungen ereignen oder abzeichnen.

(Universität Basel, 10.11.2010 – NPO)

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