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Klima

Geoengineering: Auch Olivin-Verwitterung keine Patent-Lösung

CO2-Entzug durch verstärkte Verwitterung reicht nicht und gefährdet Flüsse

Olivin (grün) in einer Gesteinsprobe vom antarktischen Vulkan Mount Erebus. © Hannes Grobe / Alfred-Wegener-Institut

Im Rahmen des Geoengineering wird unter anderem diskutiert, der Atmosphäre durch eine künstlich beschleunigte Verwitterung des Minerals Olivin vermehrt Kohlendioxid (CO2) zu entziehen. Neue Modellrechnungen zeigen jedoch, dass der Einsatz dieser Methode selbst in großem Maßstab die heutigen CO2-Emissionen nicht ausgleichen könnte. Zudem droht dadurch eine Versauerung der Flüsse, wie Forscher in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten.

Unter dem Begriff Geoengineering werden heute eine Vielzahl von Methoden zusammengefasst, die in großem Maßstab die Sonneneinstrahlung verringern oder aber CO2 aus der Luft entfernen könnten. Solche Maßnahmen könnten zu einer Beeinflussung des globalen Klimas führen und dem Klimawandel so entgegenwirken. Allerings sind diese bisher nur theoretisch erörterten Eingriffe in das Klimasystem äußerst umstritten und gelten als aufwändig und mit unwägbaren Risiken behaftet.

Ein vor einigen Jahren vorgeschlagenes, aber noch recht wenig untersuchtes Verfahren basiert auf der natürlich vorkommenden chemischen Verwitterung von Olivin. Olivin ist ein silikathaltiges, aber kohlenstofffreies Mineral. Bei seiner chemischen Verwitterung wird CO2 der Atmosphäre entzogen und reagiert zusammen mit Wasser im Niederschlag zu Kohlensäure. Diese greift das Olivin an und löst es. Die Reaktionsprodukte Kieselsäure, Magnesiumionen und Bikarbonat werden mit den Flüssen ins Meer transportiert. Hier erhöhen sie die ozeanische Pufferkapazität und könnten so der Versaueruun g der Ozeane entgegenwirken.

Natürliche Olivin-Verwitterung beschleunigen

Das Konzept des Geoengineerings mittels Olivin besteht darin, diesen natürlichen Verwitterungsprozess zu beschleunigen. „Deshalb sieht der Ansatz vor, fein gemahlenes Olivinpulver auf möglichst sauren Böden in warmen und feuchten Regionen zu verteilen“, erklärt Erstautor Peter Köhler vom Alfred-Wegener-Institut die Ausgangsvoraussetzung. Das Mahlen von Olivinmineralien vergrößert die Reaktionsfläche mit dem Wasser und somit das Potenzial, möglichst viel Olivin in möglichst kurzer Zeit zu lösen. Somit würden optimale Bedingungen für eine beschleunigte Verwitterung von Olivin und somit einem CO2-Entzug aus der Atmosphäre erreicht.

„Mit unseren Modellrechnungen wollten wir theoretisch prüfen, ob eine künstliche Beschleunigung dieser natürlichen Verwitterungsprozesse tatsächlich ein wirksames Mittel gegen den Klimawandel sein könnte“, so Köhler. Die theoretische Studie von Köhler und seinen Mitautoren Professor Jens Hartmann vom KlimaCampus der Universität Hamburg und Professor Dieter Wolf- Gladrow vom Alfred-Wegener-Institut schätzt die Folgen und das Potential zur Umlagerung von atmosphärischem CO2 in Bikarbonat im Ozean ab, die die Anwendung eines solchen Verfahrens in den Einzugsgebieten großer Flüsse in den Tropen haben könnte.

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Gefahr einer Versauerung der Flüsse

Die wichtigsten Erkenntnisse: Für jede Tonne CO2, die durch dieses Verfahren aus der Atmosphäre in den Ozean verlagert werden könnte, ist die Lösung von etwa einer Tonne Olivin notwendig. Eine großskalige Verwitterung von Olivin an Land führt zudem zu einer beträchtlichen Erhöhung der pH-Werte in Flüssen. „Die Olivin-Verwitterung an Land könnte eine Methode zur Verlagerung atmosphärischen Kohlendioxids in den Ozean sein“, so Köhler. „Allerdings müsste vorher genau untersucht werden, wie sich die von uns prognostizierten, lokalen pH-Wert-Veränderungen auf Flussökosysteme und angrenzende Lebensräume auswirken.“

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Wirksamkeit reicht nicht um Emissionen auszugleichen

Die Löslichkeitsgrenzen für das Nebenprodukt der Verwitterung, Kieselsäure, führen außerdem dazu, dass das CO2-Reduktionspotenzial einer künstlich erhöhten Olivin-Verwitterung eine Größenordnung unterhalb der heutigen anthropogenen CO2-Emissionen liegt. Zum Vergleich: Dem Verlagerungspotenzial von bis zu 1 Petagramm Kohlenstoff pro Jahr durch die vorgeschlagene Methode stehen heutzutage CO2-Emissionen von mehr als 10 Petagramm Kohlenstoff pro Jahr gegenüber. Aus diesem Grund wird das maximale Potenzial, mit dieser Methode atmosphärisches CO2 umzulagern auf ein Petagramm Kohlenstoff pro Jahr geschätzt.

„Mit der vorgeschlagenen Methode erscheint es daher nicht möglich, heutige und zukünftige Treibhausgasemissionen zu neutralisieren“, so Köhler weiter. Die Methode könne aber in Verbindung mit anderen Methoden einen Beitrag zur Stabilisierung und Reduktion der atmosphärischen CO2-Konzentration liefern. Darüber hinaus würde sie dem gegenwärtigen Trend zur Versauerung des Ozeans entgegenwirken. Weiterhin gibt Köhler zu bedenken, dass für den großskaligen Einsatz der Methode große Mengen an Olivin abgebaut, transportiert und gemahlen werden müssten: „Die Menge an zusätzlich verwittertem Olivin, die notwendig ist, um diese CO2-Verlagerung zu erreichen, liegt in der Größenordnung des heutigen weltweiten Kohleabbaus.“

Keine Unterstützung von Geoengineering beabsichtigt

„Das Alfred-Wegener-Institut hat weder die Absicht noch ein Interesse daran, mit dieser Studie den Weg für den kommerziellen Einsatz von Geoengineering-Maßnahmen zu ebnen. Sie liefert aber einen wichtigen Beitrag, um die wissenschaftliche Informationsbasis zu Geoengineering- Methoden zu

verbessern“, erläutert Professor Karin Lochte, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts. Internationale Gremien und Organisationen wie zuletzt die Biodiversitätskonferenz im japanischen Nagoya fordern bessere Grundlagen, um die Effektivität und die assoziierten Risken von Geoengineering-Maßnahmen auf Umwelt und Biodiversität besser beurteilen zu können.

„Die Reduktion der Treibhausgasemissionen zum Erreichen der Klimaschutzziele wird als der Königsweg angesehen und damit verbundene Anpassungsmaßnahmen erscheinen vielen Menschen noch akzeptabel“, ordnen die Autoren der Studie ein. „Die Erwähnung von Geoengineering löst in der Öffentlichkeit jedoch Unbehagen aus: Wie kann die Menschheit sich anmaßen, das globale Klima

verändern zu wollen? In Wahrheit haben wir das Weltklima durch den anhaltenden Ausstoß von Treibhausgasen schon verändert und verändern es noch weiter. Allerdings war dies nicht unser Ziel, sondern eine ‚Nebenwirkung’ unseres reichlichen Energieverbrauchs, der zu großen Teilen immer noch aus fossilen Energieträgern (Kohle, Öl, Gas) gespeist wird.“

(Alfred- Wegener- Institut für Polar- und Meeresforschung, 09.11.2010 – NPO)

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