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Astronomie

Milchstraße verleibt sich Urmaterie ein

Bonner Himmels-Durchmusterung liefert viele neue Erkenntnisse

Die Verteilung des Wasserstoffgases der Milchstraße beobachtet mit dem 64-Meter-Parkes-Teleskop in Australien. Blau markiert Regionen mit den geringsten Wasserstoffmengen, weiß solche mit den höchsten. © AIfA / Universität Bonn

Radioastronomen haben das vom Südhimmel aus sichtbare Wasserstoffgas in der Milchstraße kartiert – mit erstaunlichen Ergebnissen. Denn die Daten zeigen, dass unsere Heimatgalaxie von einer gewaltigen Scheibe aus Gas umgeben ist und immer noch weiter wächst, indem sie sich gasförmige Urmaterie einverleibt.

Die „Bonner Durchmusterung“ ergänzt eine ähnliche Studie, die dieselben Forscher bereits 2005 vorgelegt hatten. Die aktuellen Messungen übertreffen die alten Daten jedoch erheblich an Empfindlichkeit und Detailreichtum, berichtet die Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“.

Wasserstoff ist das häufigste Element im All. Es entstand direkt nach dem Urknall und bestimmt die Entwicklung des gesamten sichtbaren Universums. Für das menschliche Auge ist das häufigste Element im Weltraum unsichtbar. Wasserstoff leuchtet jedoch kräftig im Radiobereich, bei einer Wellenlänge von 21 Zentimetern. Diese berühmte „21-Zentimeter-Linie“ lässt sich auf der Erde mit großen Parabolantennen auffangen.

Vielversprechende Ergebnisse

Genau das haben die Radioastronomen der Universität Bonn zusammen mit australischen Kollegen gemacht: Vom Radioteleskop in Parkes/Australien aus vermaßen sie für den gesamten Südhimmel die 21-Zentimeter-Linienemission unserer Milchstraße.

Die Datenverarbeitung fand dann unter Bonner Federführung statt. Schon die gerade veröffentlichten ersten Ergebnisse des „Galacitc All Sky Survey“ (GASS) versprechen reichen Ertrag.

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So erlaubt die Wasserstofflinie Rückschlüsse auf Temperatur und Geschwindigkeit der Gaswolken in der Milchstraße. Dabei hilft den Wissenschaftlern der so genannte Doppler-Effekt. Er sorgt dafür, dass sich die Wellenlänge des Wasserstoffgases bei Bewegung leicht verändert: Wenn sich das Gas von uns wegbewegt, nimmt die Wellenlänge zu – die Wasserstofflinie liegt dann beispielsweise bei 21,5 Zentimetern. Im umgekehrten Fall nimmt die Wellenlänge ab.

Wasserstoff als Thermometer

Gleichzeitig ist die Wasserstofflinie den Forschern zufolge ein gutes Thermometer: In heißem Gas kommt es nämlich zu Turbulenzen – je heißer, desto stärker. Diese Verwirbelungen sorgen dafür, dass sich Teile der Wasserstoff-Wolke auf uns zu, andere Teile jedoch gleichzeitig von uns weg bewegen. Durch den Doppler-Effekt „verschmiert“ die 21-Zentimeter-Linie daher: Sie verwandelt sich in eine Art Dreieck, das an seiner Basis umso breiter wird, je heißer die entsprechende Wolke ist.

Die Wissenschaftler sind bei ihren Analysen bereits auf einige interessante Fakten gestoßen. So ist unsere Heimatgalaxie mit ihren mehreren hundert Milliarden Sternen in eine Scheibe aus Gas eingebettet. „Diese Scheibe hat einen Durchmesser von 200.000 Lichtjahren“, erklärt Peter Kalberla vom Argelander-Institut für Astronomie. „Sie ist damit erheblich größer als die für das Auge sichtbare Milchstraße.“

Milchstraße wächst

Sie scheint sich nach Angaben der Wissenschaftler zudem weiter zu vergrößern. Die Scheibe ist nämlich ihrerseits von gasförmiger Materie umgeben, die von den Anfängen des Universums stammt. Die Milchstraße verleibt sich diese Urmaterie nach und nach ein. Am Rande unserer Heimatgalaxie scheint es zudem jede Menge dunkle Materie zu geben, die die Bewegung der Wasserstoffwolken beeinflusst.

Auch Astronomen, die sich nicht für die Milchstraße interessieren, werden von den neuen Daten stark profitieren: Denn die Signale, die uns von fernen Galaxien nach einer Reise von Milliarden Jahren erreichen, werden durch das Gas der Milchstraße stark geschwächt. Mit den Bonner Messungen ist es nun möglich, aus der Wasserstoffverteilung das Maß dieser Schwächung zu bestimmen. Damit lässt sich dann das ursprüngliche Signal rekonstruieren.

Bald auch Messungen am Nordhimmel

Mit einem Antennendurchmesser von 64 Metern ist das australische Parkes-Radioteleskop das größte seiner Art auf der Südhalbkugel. In Kürze werden die Wissenschaftler ihre Messungen auf den Nordhimmel ausweiten. Dazu nutzen sie das Effelsberg-Teleskop, das mit 100 Metern Durchmesser noch einmal deutlich größer ist.

„Diese 21-Zentimeter-Durchmusterungen sind Meilensteine der radioastronomischen Forschung“, sagt Kalberla. „Noch niemals zuvor wurden die weltgrößten Radioteleskope gemeinsam genutzt, um die Milchstraße und ihre Umgebung vollständig zu erforschen.“

Neuartige „Radiokamera“

Die so genannte „Effelsberg-Bonn HI-Durchmusterung“ (EBHIS) wird 2011 abgeschlossen werden. Für die EBHIS Beobachtungen des Nordhimmels wird nach Angaben der Forscher eine neuartige „Radiokamera“ eingesetzt. Sie enthält gleich sieben Empfänger und ein in Bonn entwickeltes Spektrometer. „Damit werden wir noch schärfere Bilder gewinnen können“, ist sich Kalberla sicher.

(idw – Universität Bonn, 26.10.2010 – DLO)

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