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Ökologie

Naturzerstörung kostet Billionen

TEEB-Studie fordert den Wert der Natur in die Mitte der Gesellschaft zu stellen

Pollen sammelnde Honigbiene © Jon Sullivan / gemeinfrei

Die immer weiter fortschreitende Naturzerstörung weltweit kommt die Menschheit auf Dauer teuer zu stehen. Dies geht aus der internationalen Studie zur Ökonomie der Ökosysteme und Biodiversität (TEEB) hervor. Danach beträgt allein der ökonomische Nutzen durch Insekten als Bestäuber etwa 150 Milliarden Euro jährlich. Das entspricht knapp einem Zehntel des Gesamtwertes der Weltnahrungsmittelproduktion.

Der TEEB-Endbericht wurde gestern im japanischen Nagoya im Rahmen der 10. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens für Biologische Vielfalt vorgestellt.

Natur viele Billionen Dollar wert

Der Leiter der TEEB-Studie Pavan Sukhdev sagte dazu: „TEEB dokumentiert nicht nur die viele Billionen Dollar teure Bedeutung unserer natürlichen Umwelt für die globale Ökonomie, sondern auch wie Politikveränderungen und gerechte Marktmechanismen eine neues Denken für die zahlreichen Herausforderungen des globalen Umweltschutzes liefern können.“

Die gute Nachricht sei, dass viele Gemeinschaften und Länder das Potenzial erkennen, dass sich durch die Berücksichtigung des Wertes der Natur in der Entscheidungsfindung biete. Beispiele für eine solche Umsetzung zeigen sich auch auf der Konferenz in Nagoya: Indien und Brasilien sowie andere Länder planen, die ökonomische Inwertsetzung von Naturkapital stärker in ihre Politik einzubeziehen.

TEEB-Endbericht: The Economics of Ecosystems and Biodiversity: Mainstreaming the Economics of Nature: A synthesis of the approach, conclusions and recommendations of TEEB. © Topham/UNEP

Ökonomischer Kompass muss neu ausgerichtet werden

Der Abschlussbericht der TEEB-Studie appelliert, den Beitrag der Natur zum menschlichen Lebensgestaltung, Gesundheit, Sicherheit und Kultur in Entscheidungen auf allen Ebenen stärker zu berücksichtigen – nicht nur in der Politik, sondern auch bei Firmen und beim Bürger. TEEB vertritt den Ansatz, dass es hilfreich sein kann, neben dem Eigenwert der Natur auch den ökonomischen Wert von Natur darzustellen und gegebenenfalls auch in Politikmaßnahmen einzubinden.

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„Der Ansatz von TEEB kann helfen, unseren ökonomischen Kompass neu auszurichten und eine neue Ära einleiten, in welcher der Wert der Dienstleistungen der Natur für uns alle sichtbar und ein expliziter Teil der Entscheidungen in Politik und Wirtschaft wird. Wenn wir nichts tun, verlieren wir nicht nur heutiges und zukünftiges natürliches Kapital in Wert von Billionen von Dollar für die Gesellschaften, wir machen auch die Armen der Welt weiter arm und gefährden zukünftige Generationen. Die Zeit, Biodiversität zu ignorieren und auf konventionellem Denken über Wohlstandsgewinn und -entwicklung zu beharren, ist vorbei. Wir brauchen einen Weg in eine grüne Ökonomie“, so Sukhdev.

Die TEEB-Studie, die vom deutschen Umweltministerium und von der EU-Kommission im Jahr 2007 iniitiert wurde und durch das UN-Umweltprogramm geleitet wird, hat dank der Unterstützung von über 500 Mitwirkenden an seinen sieben Berichten Tausende von Studien, Methoden, Politikansätzen und Beispielen praktischer Ansätze ökonomischer Methoden analysiert und zusammengetragen.

Insekten als Bestäuber © André Künzelmann / UFZ

Endbericht ergänzt bisherige Reports

Der Endbericht von TEEB „Mainstreaming the Economics of Nature“ ergänzt die bisherigen TEEB-Berichte und zeigt exemplarisch an drei Beispielbereichen, wie die verschiedenen Schritte einer Wertschätzung ökosystemarer Dienstleistunegn aussehen können: Bei naturnahen Ökosystemen (Beispiel Wälder), menschlichen Siedlungen (Beispiel Städte) und in Wirtschaftssektoren (Beispiel Bergbau). So legt der Report offen, wie Zahlungen für Ökosystem-Dienstleistungen (PES) zu einer besseren Bewahrung des Naturkapitals führen. In Mexico etwa wurde ein nationales PES-System vor sieben Jahren eingeführt und hat die Entwaldungsrate um 50 Prozent reduziert, Wassereinzugsgebiete und biodiverse Nebelwälder gesichert, sowie circa 3,2 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen vermieden.

Die Bedeutung von TEEB für Deutschland

Mit dem Endbericht von TEEB ist es auch Zeit, für die wissenschaftliche Koordination von TEEB – einem Team von acht Wissenschaftlern am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig – eine Bilanz zu ziehen. Heidi Wittmer, Leiterin der TEEB-Koordination am UFZ sagte: „Wir sind sehr erfreut von der positiven Resonanz, die die Berichte und Empfehlungen von TEEB auf den verschiedenen Ebenen bekommen haben. Die ökonomische Bewertung von Natur ist wissenschaftlich schwierig und ihre Grenzen müssen stets deutlich sein, denn viele Werte sind nicht ökonomisch erfassbar. Aber die Resonanz zeigt, dass die Einsicht in die Notwendigkeit, den Wert unserer Natur stärker in unserer Ökonomie zu berücksichtigen, stark zunimmt. Die Anfrage nach Expertise in diesem Bereich ist in den letzten zwei Jahren enorm gewachsen.“

Zehn Empfehlungen des TEEB Endberichts

  • Einschätzungen biologischer Vielfalt sollten zum Ergebnis haben, dass Umweltschäden veröffentlicht werden und für sie gehaftet wird.
  • Die derzeitigen Systeme der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sollten dringend um Veränderungen im Wert von natürlichem Kapital und Ökosystemdienstleistungen ergänzt werden.
  • Oberste Priorität hat die Erfassung von Waldbeständen und Ökosystemdienstleistungen für Mechanismen, die der Inwertsetzung von Ökosystemdienstleistungen dienen, wie z.B. REDD+.
  • Jährliche Berichte und Bilanzen von Unternehmen sollten alle externen Effekte auf die Umwelt enthalten – inklusive Änderungen im natürlichen Kapital sowie durch Schäden in der Umwelt angehäufte Verbindlichkeiten.
  • Die Prinzipien „no net loss“ (Vermeidung eines Nettoverlustes) oder „net positive impact“ (Nettozunahme) von biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen sollten zum Standard in der Praxis von Unternehmen werden. Sie kommen zur Anwendung mittels robuster Biodiversitäts-bezogener Benchmarks, durch Kontrollprozesse zur Schadensverhinderung bzw. -minimierung, und mit Hilfe von Umweltinvestitionen als Ausgleichsmaßnahmen.
  • Die Prinzipien „Der Verursacher zahlt“ und „Vollständige Schadensbehebung“ bieten wichtige Orientierung für Steuerreform und für die Ausrichtung staatlicher Anreizstrukturen. Darüber hinaus können in manchen Situationen z.B. Transferleistungen oder Zahlungssysteme für Ökosystemleistungen nach dem Prinzip „Der Nutznießer zahlt“ ausgestaltet werden und damit zusätzliche Anreize schaffen.
  • Regierungen sind angehalten, Subventionen genauer zu erfassen und vollständig zu veröffentlichen, mit dem Ziel dass deren umweltschädigende Effekte anerkannt werden und entsprechende Reformen stattfinden.
  • Managementsysteme von Schutzgebieten sollten so gestärkt und weiterentwickelt werden, dass diese ökologisch repräsentativ, handlungsfähig und sozial gerecht sind. Dies gilt insbesondere für Meeresschutzgebiete. Die Erfassung und Bewertung von Ökosystemleistungen kann politischen Rückhalt sichern, Finanzierungsmöglichkeiten erweitern und bei der Bestimmung von Naturschutz-Prioritäten helfen.
  • Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen sollte als eine exzellente Option für eine Investition in Vermeidung und Anpassung an den Klimawandel betrachtet werden. Innerhalb der Klimarahmenkonvention sollte eine beschleunigte Umsetzung von REDD-Plus oberste Priorität haben. Die Umsetzung sollte mit Pilotprojekten und der Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Etablierung der nötigen Monitoring- und Überprüfungssysteme beginnen.
  • Unsere Abhängigkeit von Ökosystemleistungen muss in der Politik volle Berücksichtigung finden. Dies gilt umso mehr für deren Rolle als alleinige Lebensgrundlage für viele arme Haushalte. In nationalen Entwicklungsbemühungen sollten die Auswirkungen von Industrialisierung und intensivierter Landnutzung entsprechend untersucht werden. In der internationalen Entwicklungshilfe sollten Ökosystemleistungen zentraler Bestandteil sein.

(idw – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 21.10.2010 – DLO)

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