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Astronomie

Astronomen identifizieren Methusalem-Galaxie

Very Large Telescope bestimmt Distanz zur fernsten bisher bekannten Galaxie

Simulation von Galaxien im frühen Universum während der Epoche der Reionisation. © M. Alvarez, R. Kaehler, and T. Abel

Ein europäisches Astronomenteam hat mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO die Distanz zur fernsten bisher bekannten Galaxie bestimmt. Wie die Untersuchungen des extrem schwachen Glimmens der Galaxie UDFy-38135539 ergaben, zeigen die Aufnahmen das Aussehen des Objekts zu einer Zeit, als das Universum erst 600 Millionen Jahre alt war. Der Urknall fand vor etwa 13,7 Milliarden Jahren statt.

Damit handelt es sich um die ersten gesicherten Beobachtungen einer Galaxie, deren Licht den undurchsichtigen Wasserstoffnebel durchdringt, mit dem das frühe Weltall angefüllt war, schreiben die Forscher im Wissenschaftsmagazin „Nature“.

„Mit dem Very Large Telescope der ESO konnten wir eine Galaxie, die bereits vorher mit dem Hubble-Weltraumteleskop entdeckt wurde, als das am weitesten entfernte Objekt im uns bekannten Universum identifizieren”, erklärt Matt Lehnert vom Observatoire de Paris und Erstautor der neuen Studie. „Erst die Leistungsfähigkeit des VLT und seines SINFONI-Spektrografen hat es uns ermöglicht, die Entfernung zu dieser sehr lichtschwachen Galaxie zu bestimmen. Wir sehen den Zustand dieses Objekts zu einer Zeit, als das Universum erst 600 Millionen Jahre alt war.“

Glimmen statt Leuchten

Die Untersuchung dieser ersten Galaxien ist den Wissenschaftlern zufolge ein extrem schwieriges Unterfangen. Bis ihr Licht die Erde erreicht, ist aus intensivem Leuchten ein extrem schwaches Glimmen geworden. Hinzu kommt, dass uns der größte Teil dieses schwachen Lichtsignals im infraroten Teil des Spektrums erreicht, da die Wellenlänge des Lichts durch die Expansion des Universums gedehnt wurde – ein Effekt, den man als „Rotverschiebung“ bezeichnet.

Diese ohnehin schon schwierigen Ausgangsbedingungen werden dadurch noch weiter verschärft, dass das Universum weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall gar nicht vollständig durchsichtig war: Ein großer Teil des Raumes war von einem Nebel aus Wasserstoffgas ausgefüllt, der das intensive ultraviolette Licht der jungen Galaxien absorbierte. Die Epoche in der Geschichte des Kosmos, in der sich der Nebel durch den Einfluss dieser ultravioletten Strahlung aufklarte heißt Reonisationsära.

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Mehrere Galaxienkandidaten

Trotz dieser Hürden gelang es Astronomen 2009 mit der neuen Wide Field Camera 3 am ESA/NASA-Weltraumteleskop Hubble, mehrere aussichtsreiche Kandidaten für Galaxien zu entdecken, deren Licht uns aus eben dieser Ära der Reonisation erreicht. Es ist eine enorme Herausforderung, die Entfernung eines solchen Objekts hinreichend zuverlässig zu bestimmen. Dies kann nur durch spektroskopische Untersuchungen mit sehr großen, bodengebundenen Teleskopen gelingen, indem man die Rotverschiebung des Lichtes der Galaxie misst.

„Nach der Veröffentlichung der Galaxienkandidaten aus den Hubble-Beobachtungen machten wir eine kurze Abschätzung, ob es überhaupt möglich sein würde, sie näher zu untersuchen. Wir waren sofort wie elektrisiert, denn wir fanden heraus, dass mit dem gewaltigen Lichtsammelvermögen des VLT in Kombination mit der Empfindlichkeit des Infrarotspektrografen SINFONI bei einer außergewöhnlich langen Belichtungszeit tatsächlich eine Entfernungsbestimmung dieser extrem schwachen Galaxien möglich sein sollte”, so Lehnert.

Nur 16 Stunden Beobachtungszeit

Das Team bekam schließlich eine Beobachtungszeit von 16 Stunden für die Galaxie UDFy-38135539 am VLT bewilligt. Nach zweimonatiger, sehr sorgfältiger Auswertung stand fest, dass die Wissenschaftler dort zweifelsfrei das extrem schwache Leuchten von Wasserstoff bei einer Rotverschiebung von 8,6 beobachtet hatten. Das macht die Galaxie zum entferntesten jemals spektroskopisch bestätigten Objekt.

Koautorin Nicole Nesvadba vom Institut d’Astrophysique Spatiale in Paris fasst zusammen: „Die Rotverschiebung einer so weit entfernten Galaxie zu messen, ist schon für sich genommen eine sehr aufregende Sache, aber noch viel wichtiger sind die astrophysikalischen Schlussfolgerungen: Zum ersten Mal können wir sicher sein, eine der Galaxien beobachtet zu haben, die dazu beigetragen hat, den Nebel im frühen Universum zu lichten.“

Weniger massereiche Begleitergalaxien?

Überraschend ist dabei, dass das Leuchten von UDFy-38135539 selbst nicht intensiv genug gewesen sein dürfte, um einen Weg durch den Wasserstoffnebel zu bahnen. „Es muss also andere, vermutlich schwächere und weniger massereiche Begleitergalaxien von UDFy-38135539 geben, die ebenfalls dazu beigetragen haben, den Raum um UDFy-38135539 transparent zu machen. Ohne diese Unterstützung wäre das Licht der Galaxie im umgebenden Wasserstoffnebel gefangen geblieben, und ganz egal wie intensiv es ursprünglich gewesen wäre, wir hätten es nicht beobachten können“, erklärt Mark Swinbank von University of Durham, ebenfalls Koautor der Studie.

Und Jean-Gabriel Cuby vom Laboratoire d’Astrophysique de Marseille fügt hinzu: „Die Untersuchung der Reionisationsära stößt an die Grenzen der Möglichkeiten heutiger Teleskope und Instrumente. Doch sobald das European Extremely Large Telescope der ESO in Betrieb geht – es wird dann das größte im Optischen und im nahen Infrarot arbeitende Teleskop der Welt – werden derartige Messungen ganz alltäglich sein.“

(European Southern Observatory – ESO, 21.10.2010 – DLO)

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