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Ökologie

Menschheit verbraucht eineinhalb Planeten pro Jahr

„Living Planet Report 2010“ zeigt dramatische Entwicklung der globalen Umwelt

Meer und viele Gewässer sind bereits überfischt © Brent Stirton / Getty Images / WWF

Die Erde leidet akut an der Krankheit Mensch: Die Natur benötigt eineinhalb Jahre um zu ersetzen, was ihr die Menschheit in einem Jahr nimmt. Das zeigt der alle zwei Jahre vom WWF veröffentlichte globale Umweltbericht „Living Planet Report“ (LPR), der gestern veröffentlicht wurde. Der Bericht gilt als die führende Diagnose zum Gesundheitszustand unseres Planeten und zeigt, dass seit 1970 bereits mehr als 30 Prozent der Arten geschwunden sind, besonders dramatisch ist der Verlust der Artenvielfalt in den Tropen.

Der „Living Planet Report“ des WWF ist eine umfassende Langzeituntersuchung zur Entwicklung der

biologischen Vielfalt in den vergangenen 40 Jahren. Er erscheint alle zwei Jahre und berechnet mit buchhalterischer Akribie, wie „krank“ unsere Erde ist. Das aktuelle Ergebnis dieser Bilanz: Der Bestand von 2.500 ausgewählten Tierarten, die charakteristisch für die unterschiedlichen Land-, Meeres- und Süßwasserökosysteme der Erde sind, ist seit den 70er Jahren im Schnitt um rund 30 Prozent zurückgegangen. In den Tropen ist der natürliche Reichtum sogar noch stärker eingebrochen. Hier gingen die Populationsgrößen um fast 60 Prozent zurück.

Zwei Planeten bis 2030

Der Living Planet Report dokumentiert, dass die Ursache für den Artentod im wachsenden Hunger nach Rohstoffen und natürlichen Ressourcen liegt. „Um die Nachfrage nach Nahrung, Energieträgern und anderen natürlichen Rohstoffen zu decken, bräuchte man schon jetzt einen zweiten Planeten“, betont Eberhard Brandes, Vorstand des WWF Deutschland. Neue Daten und genauere Messmethoden zeigen im aktuellen LPR, dass die Menschheit bereits seit den 1970er Jahren mehr verbraucht, als unser Planet verkraften kann. „2006 wurde noch hochgerechnet, dass wir erst 2050 zwei Planeten brauchen werden. Der aktuelle Bericht zeigt, dass wir diesen Zustand bereits 2030 erreichen werden, also 20 Jahre früher“, warnt WWF-Naturschutzdirektor Andreas Wurzer.

Dies ergibt sich aus der Analyse des so genannten ökologischen Fußabdrucks der Menschen in den verschiedenen Regionen der Welt. Dabei wird der Verbrauch an nachwachsenden Rohstoffen in die zur Produktion notwendige Fläche umgerechnet. Der Landverbrauch für die Nahrungsmittel- und Holzproduktion wird ebenso berücksichtigt wie die für Städte, Straßen und andere Infrastruktur benötigten Gebiete. Zudem bezieht die Modellrechnung die Waldfläche ein, die nötig ist, um das Treibhausgas CO2 aufzunehmen.

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OECD-Länder mit größtem Fußabdruck

Verteilt man die natürlichen Schätze gerecht, stünden bei der aktuellen Weltbevölkerung jedem

Erdenbürger maximal 1,8 Hektar zu. Doch die Realität sieht anders aus: In den reichen Staaten ist der ökologische Fußabdruck der Menschen rund fünf Mal so groß wie in den ärmeren Ländern. Deutschland steht mit rund fünf Hektar pro Kopf im Mittelfeld. Besonders verschwenderisch leben die Menschen unter anderem in den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA mit einem Pro-Kopf Verbrauch von nahezu zehn Hektar.

Der WWF Report macht deutlich, dass die OECD-Staaten derzeit mit 40 Prozent noch den größten Anteil am ökologischen Fußabdruck haben. Durch die hohe Bevölkerungszahl in China, Indien, Brasilien und Russland und den wachsenden Konsum wird der Fußabdruck dieser Länder ebenfalls immer tiefer. Negativ schlägt vor allem der hohe Energieverbrauch mit dem damit verbundenen CO2-Ausstoß zu

Buche. Mittlerweile geht fast die Hälfte des ökologischen Fußabdrucks auf die Bereitstellung von Energie zurück. Das gilt auch für Deutschland. Dieser Anteil hat sich in den vergangenen 50 Jahren mehr als verzehnfacht.

Raubbau an Meer und Wald

Der Raubbau an den natürlichen Ressourcen wird auch auf anderen Gebieten deutlich: Die industrielle Fischerei hat 70 Prozent der Fischgründe weltweit stark geschädigt. Weil die großen Fische immer seltener werden, konzentrieren sich die Fangflotten auf kleinere Fische und Krill. Weltweit sind dadurch 520 Millionen Menschen gefährdet, die von der Fischerei abhängig sind. Ähnlich die Situation derWälder: Jährlich gehen 130.000 Quadratkilometer Waldflächen durch die Umwandlung in Weide- und Anbauflächen verloren. Das entspricht etwa der 1,5-fachen Fläche Österreichs.

„Wir leben in einer trügerischen Ruhe“, warnt Eberhard Brandes. „Der Living Planet Report zeigt deutlich, dass es höchste Zeit ist, Lösungen zu entwickeln, wie die wachsenden Bedürfnisse der Weltbevölkerung mit den vorhandenen Rohstoffen gedeckt werden können. Vor dem Hintergrund, dass 2050 voraussichtlich mehr als neun Milliarden Menschen die Erde bevölkern werden, ist die Lösung dieser Frage fundamental.“ Der westliche Lebensstil habe zu einer gefährlichen Schieflage des Planeten geführt. Je früher die Trendumkehr geschafft werde, desto besser.

(WWF, 14.10.2010 – NPO)

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