Warmes Wasser aus dem Atlantik strömt in zunehmender Menge und in immer geringeren Tiefen in das arktische Polarmeer – und hemmt damit die Meereisproduktion in der der Schlüsselregionen der Arktis. Dies hat jetzt ein deutsch-russisches Team von Meeresforschern nach einer fünfwöchigen Expedition in die arktische Laptev-See festgestellt. Schon die ersten an Bord des Forschungsschiffs ausgewerteten Daten bestätigen die geringe Stabilität des arktischen Systems.
Die Arktis nimmt großen Einfluss auf das globale Klima der Erde. Deswegen beobachten Wissenschaftler mit zunehmender Besorgnis, dass das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Klimawandels in der Arktis besonders stark zunehmen. So hat die Meereisbedeckung in den Sommermonaten in den vergangenen 30 Jahren um fast 40 Prozent abgenommen. Um diese Prozesse genauer zu untersuchen, war am 1. September 2010 ein deutsch-russisches Forscherteam im Rahmen des Projekts „Laptev-See- Polynja“ zu einer fünfwöchigen Expedition in die Arktis aufgebrochen.
Schlüsselregion der arktischen Meereisproduktion
Ziel der Expedition war eine der Schlüsselregionen der arktischen Meereisproduktion, die Laptev-See, sowie Teile der angrenzenden Kara-See. Neben hunderten von Wasserproben aus verschiedenen Tiefen, mit deren Hilfe meereschemische und meeresbiologische Parameter bestimmt und im Vergleich mit älteren Daten auf Veränderungen untersucht wurden, lag ein Schwerpunkt auf der Untersuchung der meeresphysikalischen Parameter. Außerdem bargen die Forscher Langzeit-Meeresobservatorien, die für ein Jahr vor Ort unter Wasser Daten sammeln konnten und brachten diese nach dem Auslesen der Daten für ein weiteres Jahr wieder in Position.
Die Beobachtungen dieser Langzeit-Meeresobservatorien geben zum einen Rückschlüsse auf langfristige reale Veränderungen der Arktis und liefern zum anderen die Grundlagen für Modellrechnungen und Prognosen. „Das detaillierte Auswerten der Daten nimmt zwar einen längeren Zeitraum in Anspruch, aber schon nach erster Sichtung der Daten an Bord wird deutlich, dass das sensible System der Arktis alles andere als stabil genannt werden kann“, so das erste Fazit des Expeditionsleiters Torben Klagge vom IFM-GEOMAR.
Einstrom wärmeren Wassers vom Atlantik
Besorgt zeigen sich die Forscher vor allem über das deutlich wärmere Wasser in verschiedenen Tiefen. Es könne direkt für eine zeitlich verzögerte und vor allem verminderte Meereisbildung verantwortlich gemacht werden. Igor Dmitrenko vom IFM-GEOMAR erklärt die Erwärmung mit dem Einfließen von atlantischem Wasser, das normalerweise nur in den tieferen arktischen Becken zirkuliert, aber in den vergangenen Jahren überraschenderweise mehr und mehr auch in den flachen Schelfregionen auftritt.
Dieser Trend ließ sich seit 2000 zuerst auf den sibirischen Schelfen beobachten und tritt hier auch heute noch am deutlichsten zutage – hat jedoch Auswirkungen auf die gesamte arktische Eissituation: Das hier produzierte Meereis wandert mit Hilfe der Transpolardrift bis nach Grönland, so dass Änderungen in der Menge direkte Folgen für das europäische Klima haben. Gerade die Laptev- See, die einen Anteil von knapp einem Drittel an der arktischen Meereisproduktion hat, ist eine Schlüsselregion für diese sich schnell verändernden Prozesse.
Bodenwasser immer sauerstoffärmer
Welche Auswirkungen diese Veränderungen nicht nur auf das globale Klima, sondern auch auf das lokale Ökosystem der Laptev-See haben werden, zeigt sich vor allem in einigen der gemessenen meereschemischen Daten: So lässt sich laut Andrey Novikhin der Einfluss des neuerdings stark sauerstoffarmen Bodenwassers auf die Produktion von Biomasse durch Plankton oder Bakterien sowie auf andere Meeresbewohner nur erahnen – welche weitreichenden Auswirkungen dies dann wiederum auf das globale Meeresökosystem haben wird, ist nach aktuellem Kenntnisstand noch nicht einmal grob abzuschätzen.
An der Expedition nahmen 19 Mitarbeiter des Arctic and Antarctic Research Institute im russischen St. Petersburg (AARI), der Staatlichen Universität St.Petersburg, des Lena-Delta-Reservats (Tiksi, Russland) sowie des Alfred- Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung und ein sechsköpfiges Team vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR).
(Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 13.10.2010 – NPO)