Wissenschaftler aus Deutschland und Russland haben erstmals die Mechanismen entschlüsselt, mit denen sich Embryonen des Süßwasserpolypen Hydra vor einer Besiedelung von gefährlichen Mikroben schützen. Sie stellen ihre neuen Ergebnisse jetzt in der Online-Ausgabe der „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) vor.
Ausgangspunkt für die aktuelle Studie war, dass Forscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bei Hydra-Embryonen eine völlig andere Zusammensetzung der bakteriellen Besiedelung als bei erwachsenen Polypen entdeckten.
Eine aufwändige Analyse des Mikrobiologen Sebastian Fraune und des Biochemikers René Augustin zeigte dann, dass die Embryonen von der Mutter mit einem so genannten antibakteriellen Peptid ausgestattet werden. In den ersten Entwicklungstagen sorgt es dafür, dass sich nur bestimmte gutartige Bakterien auf dem Embryo niederlassen.
Freie Fahrt für gutartige Bakterien
„Wir vermuten, dass diese Bakterien die Embryonen schützen, indem sie mikrobielle Lebensräume besetzen und andere, gefährlichere Keime fernhalten“, erläutert Bosch. Die in seinem Labor entwickelte Methode der Herstellung transgener Polypen half den Forschern zu klären, ob und wie sich im erwachsenen Organismus die bakterielle Gemeinschaft verändert, wenn die Polypen bestimmte antibakterielle Peptide verstärkt produzieren.
Wie die Wissenschaftler in PNAS berichten, verändern auch in erwachsenen Polypen antibakterielle Peptide die Komposition der bakteriellen Besiedelung drastisch.
Antibakterielle Peptide entscheiden über bakterielle Besiedelung
Jahrelang hatten Biologen die Funktion der antibakteriellen Peptide auf das Abtöten von Krankheitserregern beschränkt. Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass diese kleinen Eiweißmoleküle hauptverantwortlich sind für die Zusammensetzung der bakteriellen Besiedelung. Jeder Organismus – einschließlich des Menschen – besitzt ein ganz individuelles Profil von Bakteriengemeinschaften in seinem Körper.
Die Weichen dafür werden offensichtlich bereits bei der Geburt von einem Set an antibakteriellen Peptiden gestellt, so die Forscher. Die Bakterien sorgen dann dafür, dass wir gesund bleiben. Viele Krankheiten haben ihre Ursache in einer gestörten Kommunikation zwischen Mensch und Mikroben.
600 Millionen Jahre alte Nesseltiere
Hydra gehört zu den mehr als 600 Millionen Jahre alten Nesseltieren, die an der Basis der tierischen Evolution standen. In ihrer Ursprünglichkeit haben sie molekulare Schalter bewahrt, die in ähnlicher Form auch beim Menschen zu finden sind. Mit der nahezu unbegrenzten Regenerationsfähigkeit von Hydra und seinen fehlenden Alterungsprozessen nimmt das alte Modellsystem Hydra nicht nur eine Schlüsselposition ein für die moderne Evolutionsbiologie, sondern liefert auch neue Ansätze für die biomedizinische Forschung.
Schritt für Schritt arbeiten sich die Kieler Wissenschaftler nun an das große Rätsel heran, aufzuklären, welchem Bakterium welche Aufgabe zukommt.
(idw – Universität zu Kiel, 05.10.2010 – DLO)