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Botanik

Ein Fünftel aller Pflanzen vom Aussterben bedroht

Erste Rote Liste für Pflanzen enthüllt Gefährdungsstatus weltweit

Rote Liste für Pflanzen © Royal Botanical Gardens, Kew

Eine von fünf Pflanzen weltweit ist vom Aussterben bedroht, am stärksten betroffen sind Arten in den Tropen und im tropischen Regenwald. Das ist das Ergebnis der ersten weltweiten Erhebung des Gefährdungsstands der Pflanzenwelt. Sie zeigt unter anderem, dass der Verlust des Lebensraums eine der Hauptursachen für den Verlust pflanzlicher Artenvielfalt ist. Dieser erste Rote Liste Index für Pflanzen ist ein wichtiges Werkzeug für den weltweiten Artenschutz und kann nun als Referenz für weitere Erhebungen dienen.

Wenn es um bedrohte Arten geht, dann neigen wir Menschen dazu, die plakativen Spezies besonders zu beachten. Eisbär, Tiger oder Panda sind heute geradezu zu Ikonen des Artenschutzes geworden, denn sie sind attraktiv und leicht wiederzuerkennen. Anders dagegen die meisten Pflanzen: Irgendwie grün, mit mehr oder weniger gelappten Blättern und manchmal nicht mal mit Blüten ausgestattet, gehen sie in der Masse der Vegetation unter. Ob hier eine Art fehlt oder nicht, fällt kaum jemandem auf.

Vielleicht hat es deshalb so lange gedauert, bis eine repräsentative Rote Liste auch für die Pflanzen entstanden ist. Ein internationales Forscherteam im Auftrag der Royal Botanic Gardens im englischen Kew, des Natural History Museum in London und der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) hat jetzt erstmals einen Statusbericht über die Gefährdung der Pflanzen vorgelegt.

Stichprobe von 7.000 aus 380.000 Arten

Für ihre Studie wählten die Wissenschaftler jeweils 1.500 Pflanzenarten aus jeder der fünf großen Gruppen des Pflanzenreichs aus, den Moosen, Farnen, Nadelbäumen, Monokotyledonen (Gräser und Orchideen) sowie den Blütenpflanzen (Angiospermen). Insgesamt umfasst das Pflanzenreich mindestens 380.000 Arten – zu viele, um sie alle in einer solchen Studie zu erfassen. Modellrechnungen hatten zuvor sichergestellt, dass diese Stichprobengröße und eine ausgewogene Wahl von häufigen und seltenen Arten ein repräsentatives Bild der Gefährdung ergeben. Als die Forscher mit der Analyse begannen, zeigte sich allerdings schnell, dass rund ein Drittel der ausgewählten Pflanzen zu selten und unbekannt war, um ein ausreichend fundiertes Urteil über ihren Zustand abzugeben.

Ein Fünftel bedroht, Tropenwald am stärksten gefährdet

Die Auswertung der restlichen mehr als 4.000 Arten ergab, dass mehr als ein Fünftel von ihnen (22 Prozent) als bedroht eingestuft werden muss. Damit entspricht ihr Gefährdungsstatus in etwa dem der Säugetiere. Er liegt höher als der der Vögel aber niedriger als der von Amphibien oder Korallen. Die innerhalb der Pflanzen am stärksten bedrohte Gruppe sind die Gymnospermen, die Gruppe, zu der auch die Nadelbäume gehören. Das am stärksten gefährdete Habitat ist der tropische Regenwald, generell finden sich die meisten bedrohten Arten in den Tropen.

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Lebensraum-Verlust als Hauptursache

Hauptursache der Bedrohung ist in den meisten Fällen der Verlust des Lebensraums durch den Mensch, beispielsweise durch die Umwandlung natürlicher Landschaften in Ackerland oder Weiden. „Diese Studie bestätigt, was wir bereits vermutet haben: Dass die Pflanzen bedroht sind und dass der Hauptgrund dafür der von Menschen verursachte Verlust des Lebensraums ist“, erklärt Stephen Hopper, Leiter der Royal Botanic Gardens in Kew bei London. „Zum ersten Mal haben wir ein klares Bild des Aussterberisikos für die bekannten Pflanzen der Welt.“

Wichtige Referenzwerte für zukünftige Vergleichsstudien

Wie schnell allerdings die am stärksten bedrohten Pflanzenarten verschwinden könnten, darauf kann die Studie keine Antwort geben – denn es fehlen Vergleichsdaten: „Um entscheidende Fragen zu beantworten darüber, wie schnell wir Arten verlieren, warum und was dagegen getan werden kann, müssen wir erstmal einen Referenzwert schaffen, gegen den Veränderungen gemessen werden können“, erklärt Hopper. „Der jetzt erstellte Rote Listen Index für die Pflanzen tut genau dies, indem er eine große Stichprobe von Pflanzenarten erfasst, die zusammen repräsentativ für alle Pflanzen weltweit stehen.“ Die aktuelle Studie als Referenzwert nehmend, können dann zukünftige Analysen die Entwicklung besser abschätzen als bisher möglich.

Biodiversitäts-Gipfel in Nagoya

Die neue rote Liste kommt zu einem passenden Zeitpunkt, denn von 18. bis 26 Oktober 2010 wird im japanischen Nagoya die UN-Biodiversitäts-Konferenz abgehalten. Während dieses Weltgipfels wird unter anderem diskutiert, inwieweit das 2002 gesetzte Ziel erreicht wurde, die Verlustrate der Artenvielfalt bis 2010 signifikant zu verringern.

„Wir können uns nicht zurücklehnen und zusehen, wie die Pflanzenarten verschwinden“, so Hopper. „pflanzen sind die Basis allen Lebens auf der Erde, sie liefern saubere Luft, Wasser, Nahrung und Treibstoffe. Die Werkzeuge und das Wissen zu haben, wie sich der Verlust der Artenvielfalt umkehren lässt ist jetzt wichtiger als jemals zuvor. Der Rote Liste Index für Pflanzen gibt Wissenschaftlern ein solches Werkzeug.“

(Royal Botanical Gardens, Kew, 04.10.2010 – NPO)

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