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Astronomie

Katastrophaler Ursprung von Marsmond Phobos?

Zwei Studien finden Indizien für Ursprung aus Trümmerbrocken

Wie entstand der Marsmond Phobos? © NASA/JPL

Der Marsmond Phobos ist wahrscheinlich doch kein eingefangener Asteroid, wie teilweise angenommen. Stattdessen könnte er direkt im Marsorbit aus den Trümmern einer gewaltigen planetaren Katastrophe entstanden sein. Hinweise darauf haben jetzt gleich zwei voneinander unabhängige Studien erbracht. Die geringe Dichte des unregelmäßig geformten Trabanten und seine dem Marsgestein ähnliche Zusammensetzung deuten auf einen Bildungsprozess durch Akkretion von Trümmermaterial hin.

Der Ursprung der Marsmonde Phobos und Deimos, beide nur wenige Kilometer groß und eher unregelmäßig geformt, ist seit langem umstritten. Einer Theorie nach könnten die beiden Trabanten ursprünglich aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter stammen und von der Schwerkraft des Mars eingefangen worden sein. Alternative Szenarien gehen davon aus, dass beide Monde sich an Ort und Stelle aus den Trümmern einer vorhergehenden Katastrophe gebildet haben. Die Trümmer könnten entweder von einem großen Einschlag auf dem Roten Planeten oder aber von der Zerstörung eines größeren, früheren Mondes hinterlassen worden sein.

Als Schlüssel zur Entscheidung, welche dieser Theorien zutrifft, gilt die Zusammensetzung der beiden Monde. Frühere Beobachtungen von Phobos in sichtbaren und nah-infraroten Wellenlängen ergaben Daten, die von einigen Astronomen als Anzeichen für die Präsenz von kohlenstoffhaltigen Chondriten gedeutet wurden. Da dieses Material typischerweise bei vielen Asteroiden im mittleren Bereich des Asteroidengürtels gefunden wird, wäre dies ein Indiz für die Asteroiden-Theorie.

Silikate deuten eher auf marsianischen Ursprung hin

Doch jüngste Auswertungen von Daten des Fourier-Spektrometers an Bord der ESA-Sonde Mars Express sprechen nun eher gegen den Chondritenbefund. Sie ergeben keine Übereinstimmung mit einer der bekannten Chondritenklassen und deuten stattdessen eher auf auffällige Ähnlichkeiten mit marsianischem Gestein hin.

„Wir haben zum ersten Mal Phyllosilikatminerale auf der Oberfläche von Phobos entdeckt, vor allem in den Gebieten südöstlich von Stickney, seinem größten Einschlagskrater“, erklärt Marco Giuranna von Istituto Nazionale di Astrofisica in Rom. „Dies ist sehr spannend, da es die Interaktion des Silikatmaterials mit flüssigem Wasser auf seinem Ursprungskörper vor der Akkretion suggeriert. Alternativ könnten die Phyllosilikate zwar auch an Ort und Stelle entstanden sein, dies würde aber bedeuten, dass Phobos ausreichend innere Hitze besessen haben müsste, um flüssiges Wasser stabil zu halten.“ Letzteres gilt allerdings als weniger wahrscheinlich.

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Da die Spektrometer-Beobachtungen auch andere Mineraltypen nachgewiesen haben, die auf dem Mars vorkommen, sind die Planetenforscher der Ansicht, dass die Indizien eher für eine enge Verwandtschaft von Planet und Trabanten sprechen. „Noch detailliertere Kartierungen, in-situ-Messungen von einer Landesonde oder eine Proben-Rückholmission könnten idealerweise dabei helfen, diese Frage eindeutig zu klären“, so Giuranna.

Nahansicht des Stickney-Kraters auf Phobos © NASA/JPL

Massenberechnung aus Vorbeiflug

Ein zweites Forscherteam hat die Masse des kleinen Mondes genauer als bisher bestimmt. Dafür werteten die Forscher winzige Variationen in der Frequenz der Radiosignale des Mars Express während des letzten nahen Vorbeiflugs der Sonde am Phobos aus. Sie entstehen durch Schwerkrafteinflüsse des Mondes auf die Sonde und ermöglichen auch die Berechnung der Masse des Trabanten.

„Wir haben die bisher genaueste Messung seiner Masse erzielt“, erklärt Pascal Rosenblatt vom königlichen Observatorium in Belgien. Aus dieser Messung und einer genaueren Schätzung seines Volumens ermittelten er und seine Kollegen eine Dichte für Phobos von 1,86 +- 0,0 Gramm pro Kubikzentimeter. „Dies ist signifikant niedriger als die typische Dichte von Meteoritenmaterial aus Asteroideneinschlägen. Sie deutet auf ein schwammartiges Inneres mit Hohlräumen hin, die 25 bis 45 Prozent ausmachen können.“

Poröses, schwammartiges Innenleben

Ein extrem poröser Asteroid hätte vermutlich das Einfangen durch den Mars nicht intakt überstanden. Andererseits könnte ein so lockerer Verbund von Material durchaus aus der Akkretion von Trümmerbrocken im Marsorbit entstehen. Während dieses allmählichen Wachstumsprozesses kollidieren zunächst die großen Brocken und verschmelzen, dann sammelt der immer größer werdende Himmelskörper nach und nach auch kleinere Brocken durch Zusammenstöße ein.

Weil die Schwerkraft des Mondes eher gering ist, füllen die kleineren Gesteinsbrocken nicht immer genau die Lücken zwischen den großen aus. Dadurch entsteht am Ende zwar ein Objekt mit glatter Oberfläche, das Innere ist aber noch immer durch zahlreiche Hohlräume charakterisiert. „Ein hochporöses Inneres von Phobos, wie jetzt vom MaRS-Team vorgeschlagen unterstützt die Akkretions-Szenarios”, erklärt Giuranna.

Proben-Rückholmission soll endgültigen Aufschluss bringen

Allerdings kann die Dichtemessung nur ein erste Indiz sein, für eine endgültige Entscheidung zu den beiden Theorien reicht dies noch nicht aus, dazu müssen erst genauere Daten über die Zusammensetzung der beiden Marsmonden vorliegen. Forscher hoffen hier auf die russische Mission „Phobos-Grunt“, die 2011 starten und dann Proben vom Marsmond Phobos einsammeln und zur Erde zurückbringen soll.

Beide Studien wurden auf dem European Planetary Science Congress in Rom vorgestellt und werden in einem Sonderheft der Fachzeitschrift „Planetary and Space Science“ erscheinen.

(Europlanet Media Centre, 22.09.2010 – NPO)

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