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Geowissen

Wie groß ist die Erdbebengefahr in Südspanien?

Geowissenschaftler erforschen Gibraltarbogen

Am Gibraltarbogen in Südspanien sind Leipziger Geowissenschaftler auf der Suche nach Spuren prähistorischer und historischer Erdbeben, um mehr über mögliche aktuelle Risiken herauszufinden.

Hochaktive Kollisionszone der Europäischen und Afrikanischen Platte

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Klaus Reicherter von der Universität Leipzig gehört zu einer Gruppe von deutschen Geowissenschaftlern, die vom 29. August 2004 bis 17. September 2004 nach Südspanien reisen, um im Rahmen des DFG-Projektes „Paläoseismologie aktiver Störungssysteme der Betischen Kordillere und der Alborán-See“ das von 2003 bis 2005 läuft, Spuren historischer und prähistorischer Erdbeben zu untersuchen. Anhand der Untersuchungsergebnisse soll das Risiko für künftige Erdbewegungen abgeschätzt werden.

Der Gibraltarbogen mit der Betischen Kordillere (Spanien) stellt die seismotektonisch hochaktive Kollisionszone der Europäischen und Afrikanischen Platte im westlichsten Teil des alpidischen Gebirgsgürtels dar. In historischer Zeit erschütterten einige schwere Erdbeben Andalusien, darunter auch die Costa del Sol, und es ist anzunehmen, dass es in diesem Gebiet auch in Zukunft zu Erdbeben kommt. Um die Lage besser einschätzen zu können, wollen die Leipziger Geowissenschaftler in Zusammenarbeit mit Geologen und Geophysikern des Institutes für Bodenforschung Hamburg und der Universität Granada jetzt für drei Wochen paläoseismologische Untersuchungen durchführen, d.h. sie wollen anhand historischer Dokumente und der Beschaffenheit der Bodenschichten Aussagen über historische Erdbeben treffen.

Letztes starkes Beben Weihnachten 1884

Den Forschern geht es zunächst darum, die Erdbeben anhand ihrer Untersuchungsergebnisse zu chronologisieren. Aus der Geschichte weiß man, dass das letzte starke Beben von Arenas del Rey bei Granada (“El terremoto de Andalucía“) am 1. Weihnachtsfeiertag 1884 um 21.08 Uhr 20 Sekunden lang den Südteil des Granada-Beckens erschütterte. Die Folge waren 900 Tote und über 1500 Verletzte. Mehr als 350 Jahre zuvor, am 22.9.1522, zerstörte ein Beben von 6,5-7 der Richter-Magnitude Almeria komplett, dem 2500 Menschen zum Opfer fielen. Sedimentstrukturen eines Bohrkerns und historische Dokumente weisen auf Tsunami-Ereignisse hin. Tsunamis sind Flutwellen riesigen Ausmaßes, die infolge von Erdbeben Küstenabschnitte mit brachialer Gewalt überspülen. Katastrophenberichte der damaligen Zeit legen Zeugnis davon ab.

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Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass starke Erdbeben sich geologisch in oberflächenahen Störungen des Schichtverbands widerspiegeln. Sie zeigen sich als Rupturen, Abschiebungen, Aufschiebungen, Faltungen oder komplizierte Kombinationen wie geomorphologische Stufen oder abrupte Flusslaufänderungen. Solche Strukturen werden von der Arbeitsgruppe multidisziplinär mit modernen Methoden untersucht und datiert. Dazu gehören mikrogeomorphologische Kartierung von aktiven Störungen, Georadar-Untersuchungen, Datierung von versetzten Bodenhorizonten an jungen, durch Erdbeben induzierten Störungsflächen, aber auch die Auswertung von Archivmaterial wie alten Photographien und Berichte. Das gewonnene Material lässt nicht nur Aussagen zur Magnitude und Intensität des/der Paläobeben, zur Häufigkeit von Beben, zur absoluten Datierung der Ereignisse (14C-Datierungen) zu, sondern auch zu Wiederholraten.

Zwei Ereignisse in den letzten 3.000 Jahren

Erste Ergebnisse deuten auf eine starke Aktivität der 1884 bewegten Störung mit mindestens zwei Ereignissen in den letzten 3.000 Jahren hin. Vor allem diese Störung wollen sich die Geowissenschaftler diesen Sommer vornehmen. Im Vergleich zur Türkei, wo eine Konzentration von Erdbeben in Nordanatolien beobachtbar ist, stellen sich die Beben und somit die Gesamtdeformation in Andalusien in mehreren kleineren Verwerfungen dar, die sich zwischen der Costa del Sol und dem Guadalquivir gebildet haben und sich von Cádiz bis nach Alicante erstrecken.

Die Forscher haben mit ihrer Arbeit eine große Verantwortung übernommen: Wenn sie in historischen Quellen oder bei der Untersuchung der Erdschichten weitere Hinweise auf große Beben finden, lässt das Rückschlüsse auf die Wiederholraten der starken Erdbeben in diesem Gebiet zu. Das könnte ein erhöhtes Risiko für diese dicht besiedelte erdbebengefährdete Region bedeuten.

(idw – Universität Leipzig, 19.07.2004 – DLO)

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