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Biologie

Protein-Gegenspieler steuern Vakuolenbildung von Pflanzen

Neue Einblicke in die Entstehung des Speicherorgans der Pflanzenzelle

Fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen einer normalen, wildtypischen (links) und einer mutanten (rechts) Zelle, in denen die Membran der Vakuole grün markiert ist. © Claus Schwechheimer und Erika Isono / TU München

Obwohl die flüssigkeitsgefüllten Vakuolen den meisten Platz in einer Pflanzenzelle einnehmen, war bisher nur wenig darüber bekannt, wie diese Speicherorgane der Zelle entstehen. Jetzt haben Wissenschaftler ein Protein identifziert, das für die Entstehung der Vakuole entscheidend notwendig ist. Es wirkt als Gegenspieler eines weiteren, bisher noch unbekannten Proteins, das die Vakuolenbildung blockiert.

Zellen – ob bei Pflanze, Tier oder Mensch – bestehen aus verschiedenen Organellen, also abgegrenzten Strukturen, die in der Zelle unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Das mit Abstand größte Organell der pflanzlichen Zelle ist die Vakuole: Diese wird von einer Membran umschlossen und speichert in ihrem Inneren wichtige Inhaltsstoffe für die Pflanzenzelle. Zum Beispiel die für unsere Ernährung wertvollen Eiweiße von Erbsen, Bohnen und Linsen, aber auch die Farbstoffe von Blüten, die Bitterstoffe vom Tee oder die Fruchtsäuren vom sauren Apfel. Wie die Vakuole im Inneren einer Pflanzenzelle gebildet wird und wie die in ihr gelagerten Inhaltsstoffe ihren Weg dorthin finden, ist bislang nur in Ansätzen verstanden.

Chaos im pflanzlichen Transportsystem

Jetzt hat ein Forscherteam vom Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München (TUM) ein neues Protein entdeckt, das für die Ausbildung der Vakuole notwendig ist. Die Wissenschaftler um Claus Schwechheimer, Professor für Systembiologie der Pflanzen, haben für ihre Untersuchungen die Ackerschmalwand als Modellpflanze benutzt. „Anhand des Vergleichs von Zellen der wildtypischen Variante mit den Zellen einer Mutante konnten wir im Labor zeigen, dass ein ganz bestimmter Eiweißstoff für die Ausbildung funktionsfähiger Vakuolen grundlegend wichtig ist“, so Schwechheimer.

Fehlt dieses Protein, passieren zwei Dinge: Erstens bilden sich statt einer großen Vakuole innerhalb der Zelle sehr viele kleine, nicht voll funktionsfähige Vakuolen aus. Zweitens kommt innerhalb jeder Pflanzenzelle der Transport von Inhaltsstoffen durcheinander: Die wertvollen Substanzen finden jetzt nicht mehr ihren gewohnten Weg in die Vakuole, sondern werden stattdessen aus der Zelle heraus geschleust – die Pflanze hört auf zu wachsen und verkümmert.

Ohne „Abspaltprotein“ keine Vakuole

Das jetzt von der Arbeitsgruppe identifizierte Protein fungiert als „Abspaltprotein“: Es ist in der Lage, ein fast überall in Zellen vorkommendes, kleines Eiweiß namens Ubiquitin von anderen Proteinen abzuspalten. Das An- und Abhängen von Ubiquitin ist generell ein Mechanismus, den Zellen benutzen, um Stoffwechselprozesse zu starten oder zu stoppen und um ihren Proteinen bestimmte Aufgaben zuzuweisen.

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Anhand der verkümmerten Vergleichspflänzchen konnte das Forscherteam nun nachweisen, dass ohne das untersuchte Abspaltprotein in der Pflanzenzelle kein funktionsfähiges Speicherorgan entstehen kann. Der Grund: Wo das entdeckte Protein fehlt, reichert sich ein bestimmter Ubiquitin-markierter Eiweißstoff an – und verhindert in der Zelle die normale Vakuolenbildung. Dass Ubiquitin-markierte Proteine bei der Entstehung dieser zellulären Speicherorgane überhaupt eine Rolle spielen könnten, hat bisher noch kein Forscher weltweit beobachtet.

Blockade-Protein gesucht

Im zweiten Schritt sucht das Team nun gezielt nach diesem Ubiquitin- markierten Protein, welches die Bildung der Vakuolen blockiert. “Diese Nuss wird schwer zu knacken sein”, sagt Erika Isono, die diese Studien am Lehrstuhl für Systembiologie der Pflanzen koordiniert. „Zum einen ist bekannt,

dass mit Ubiquitin markierte Proteine generell nicht sehr stabil und deshalb schwierig nachzuweisen sind. Zum anderen gibt es in der Zelle eine große Fülle an Ubiquitin-markierten Proteinen mit ganz unterschiedlichen Aufgaben.“ Kurz: Die Jagd nach dem Protein, das für die Vakuolenbildung wichtig ist, gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Doch die TUM-Forscher nehmen die Herausforderung an. Wenn die Systembiologen den Prozess der Vakuolenbildung komplett entschlüsseln, könnten sie damit helfen, in Zukunft die Inhalte dieses Speicherorgans gezielt zu verändern. Damit könnte man die Qualität von pflanzlichen Nahrungsmitteln verbessern – indem man etwa den sauren Apfel süßer oder Hülsenfrüchte noch proteinreicher macht.

(Technische Universität München, 18.08.2010 – NPO)

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