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Medizin

Kälte hilft Leistungssportlern – manchmal

Sportmediziner: Nicht alle Kälte-Anwendungen sind sinnvoll

Leichtathletik © IMSI MasterClips

Bei minus 110 Grad im Badeanzug in einem Kühlraum zu stehen, kann sich wohl kaum jemand vorstellen. Auch ein Bad in einer Wanne mit Eiswürfeln ist nicht jedermanns Sache. Profisportler jedoch versuchen mit solchen Hilfsmitteln ihre Leistungen zu steigern. Doch längst nicht alle Kälte-Anwendungen sind sinnvoll. Dies haben jetzt Saarbrückener Wissenschaftler in einer neuen Studie herausgefunden.

Kälte führt dazu, dass sich die Blutgefäße unter der Haut verengen und das Blut ins Körperinnere drängen. So sollen heilende und leistungssteigernde Vorgänge im Körper ausgelöst werden. Mehrere Kliniken in Deutschland betreiben deshalb so genannte Kältekammern, die bei verschiedenen chronischen Krankheitsbildern helfen sollen. Nur in Badekleidung halten sich die Patienten etwa zweieinhalb Minuten lang in einem Raum auf, in dem Temperaturen von minus 110 Grad Celsius herrschen.

Kältekammer verspricht Leistungssteigerung

Auch im Bundesleistungszentrum in Kienbaum wurde im vergangenen Jahr eine solche Kältekammer angeschafft, die Profisportlern zu einer Leistungssteigerung verhelfen soll. Ob eine solche Kammer und weitere Kälte-Anwendungen den Sportlern tatsächlich Vorteile bringen, haben jetzt Dr. Oliver Faude, Melissa Wegmann, Dr. Anne Krieg und Professor Tim Meyer vom Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes im Auftrag des Bundesinstituts für Sportwissenschaft untersucht. Von April bis Dezember 2009 werteten sie dabei verschiedene Studien aus.

Zur Auswirkung einer Kältekammer auf die Leistungsfähigkeit von Sportlern lagen in der Literatur allerdings keine Studien vor. „Da der Aufenthalt in der Kammer relativ kurz und die Luft dort trocken ist, hält man es darin auch ein bis zwei Minuten aus“, sagt Faude. „Allerdings wurden in einer anderen Studie im Zusammenhang mit Kältekammern auch Nebenwirkungen entdeckt: Die Lungengefäße können sich bei regelmäßiger Anwendung etwas verengen. Diesen Effekt will man bei Sportlern eigentlich nicht haben“, erklärt der Sportmediziner.

„Precooling“ erstmals 1996 eingesetzt

Insgesamt 23 Studien fand er dagegen zum so genannten „Precooling“, das vermutlich zum ersten Mal bei den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta eingesetzt wurde. Vor Wettkämpfen bei hohen Umgebungstemperaturen ziehen sich die Sportler Kältewesten an, um den Körper herunterzukühlen. „Diese Maßnahme wirkt tatsächlich leistungssteigernd, allerdings nur bei hohen Außentemperaturen und bei Ausdauerbelastungen, die zwischen 15 Minuten und einer Stunde dauern“, erklärt Faude.

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Richtig frieren mussten beispielsweise im Februar auch die Fußball-Profis aus Hamburg, als sie nur knapp 48 Stunden Pause zwischen zwei wichtigen Spielen hatten. Der damalige HSV-Trainer Bruno Labbadia ließ die Spieler in eine Wanne mit Eiswürfeln steigen, um so die Regeneration zu beschleunigen.

Eisbäder erhalten Schnelligkeit

„In Mannschaftssportarten wie Fußball oder Hockey können Eisbäder nach dicht aufeinanderfolgenden Spielen wie etwa bei Turnieren oder in ‚Englischen Wochen‘ tatsächlich etwas bringen. Bei mehreren Spielen kurz hintereinander kann es sein, dass die Spieler ermüdungsbedingt etwas langsamer werden. Das möchte man durch die Kältebäder verhindern, die Schnelligkeit bleibt so möglicherweise länger erhalten“, sagt der Saarbrücker Sportmediziner.

In der Literatur fand er acht Studien zum Thema, vier hatten einen positiven Effekt festgestellt, die anderen vier allerdings nicht. Laut Faude ist das Kältebad momentan nur für intensive Wettkampfphasen empfehlenswert, nicht aber für das Training, da es auch Hinweise gibt, dass Trainingsanpassungen durch Kälteanwendungen verringert werden. „Zudem ist auch noch nicht klar, ob der leicht positive Effekt wirklich von der Kälte kommt oder ob das Eintauchen in Wasser den Effekt auslöst, weil es äußeren Druck auf das Gewebe der Sportler ausübt“, meint der Wissenschaftler.

Von der Kältekammer ist Faude nicht überzeugt. Sie hat seiner Meinung nach auch den Nachteil, dass sie in der Anschaffung und im Unterhalt sehr teuer ist und die Anwendung an einen bestimmten Ort gebunden ist. Andere Anwendungsarten wie Kältewesten und Eisbäder findet er je nach Zweck sinnvoller.

Precooling zunächst testen

„Jeder Sportler sollte das Precooling mit der Kälteweste zunächst einmal ausprobieren und sehen, wie er es verträgt. Er muss daran gewöhnt sein, bevor er es bei Wettkämpfen einsetzt“, empfiehlt Faude. „Ein Bad im Eiswasser ist zur Regeneration sinnvoll bei längeren intensiven Wettkampfphasen wie etwa Fußballturnieren, Radrennen oder einer Ruder-WM.“

Hier betont er auch die psychologische Komponente der Anwendung: Nur derjenige Sportler, der ein Eisbad will und das auch aushalten kann, sollte es wirklich tun.

(idw – Universität des Saarlandes, 11.08.2010 – DLO)

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