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Neurobiologie

Menstruationsschmerzen verändern das Gehirn

Kartierung der „grauen Zellen“ enthüllt langfristige Reduktionen in einigen Hirnbereichen

Das Gehirn von Frauen, die regelmäßig unter Menstruationsschmerzen leiden, ist anders: Eine Kartierung der „grauen Substanz“ hat jetzt enthüllt, dass der regelmäßig wiederkehrende Schmerz langfristig anhaltende Veränderungen auslöst. Das Volumen bestimmter Gehirnbereiche ist reduziert, das anderer dagegen erhöht. Wie Forscher in der Fachzeitschrift „Pain“ berichten, ist noch nicht klar, ob die Veränderungen reversibel sind oder nicht.

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Menstruationsbeschwerden gehören zu den häufigsten Beschwerden von Frauen im jungen und mittleren Alter: Sie sind gekennzeichnet durch mit der Periode beginnende mehr oder weniger starke Schmerzen im Unterleib, die sich im Extremfall über Tage fortsetzen können. Dass dies nicht nur lästig und schmerzhaft ist, sondern Veränderungen im gesamten Nervensystem der betroffenen Frauen auslösen kann, das haben jetzt taiwanesische Forscher herausgefunden. Das Verblüffende daran: Diese Veränderungen waren sogar außerhalb der Schmerzphasen nachweisbar.

Kartierung der grauen Substanz

Für ihre Studie untersuchten die Forscher der Yang-Ming Universität in Taipeh 32 Patientinnen mit Menstruationsbeschwerden und 32 in Alter und Zyklus ähnliche Kontrollpatientinnen. Von jeder Probandin kartierten die Wissenschaftler das Volumen sowie die Verteilung der grauen Hirnsubstanz auf verschiedene Hirnbereiche mithilfe der Magnetresonanztomografie. Die graue Substanz ist der Bereich des Nervensystems, in dem die Zellkörper der Nervenfasern sitzen, im Gehirn entspricht dies der Hirnrinde, dem Cortex. Bei den Schmerzpatientinnen wurden die Aufnahmen für die anatomischen Karten gezielt in schmerzfreien Phasen erstellt.

Graue Substanz in einigen Arealen reduziert

Die genaue Kartierung enthüllte überraschend deutliche Unterschiede zwischen den Patientinnen mit Menstruationsbeschwerden und ohne. Obwohl die Patientinnen zum Zeitpunkt der Untersuchung keinerlei akute Schmerzen verspürten, hatten diese offenbar Spuren in ihrem Gehirn hinterlassen.

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So war das Volumen der grauen Substanz bei den Schmerzpatientinnen in einigen Hirnbereichen anormal reduziert. Dies betraf unter anderem die Regionen, die für die Schmerzübertragung, die höhergradige Verarbeitung von Sinnesreizen und die Affektsteuerung zuständig sind. Zunahmen der grauen Substanz zeigten sich dagegen in den Arealen, die für die Schmerzmodulation und die Regulation der endokrinen Funktionen verantwortlich sind.

Veränderungen langfristig

„Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass bei Patientinnen mit primärer Dysmenorrhöe selbst in Abwesenheit von Schmerz anormale Veränderungen der grauen Substanz nachweisbar sind“, erklärt Jen-Chuen Hsieh, Professor für Neurologie an der National Yang-Ming Universität in Taipeh. „Das zeigt, dass nicht nur anhaltender Schmerz, sondern auch zyklisch wiederkehrender Schmerz langfristige zentrale Veränderungen verursachen kann.“

Noch ist nicht klar, welche funktionalen Konsequenzen die beobachteten Veränderungen im Nervensystem haben. Weitere Studien sind jetzt nötig um beispielsweise herauszufinden, ob diese Veränderungen reversibel sind oder nicht. Auch die hormonellen Wechselwirkungen und Mechanismen der schnellen Anpassung wollen die Forscher nun genauer erkunden.

(Elsevier, 11.08.2010 – NPO)

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