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Neurobiologie

Kosten-Nutzen-Check im Frontalhirn

Forscher lokalisieren Hotspot der Gehirnaktivität bei Entscheidungsprozessen

Was im Gehirn passiert, wenn man die Qual der Wahl hat, ist noch wenig verstanden. Jetzt haben Forscher mit Hilfe komplexer bildgebender Verfahren herausgefunden, dass der vorderste Teil der Hirnrinde, der Präfrontalcortex, bei solchen Entscheidungen besonders aktiv ist. Er scheint immer dann Hauptakteur zu sein, wenn wir – bewusst oder unbewusst – Kosten und Nutzen verschiedener Handlungsoptionen abwägen müssen.

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Bei vielen Entscheidungen werden die zu erwartenden Kosten und der voraussichtliche Nutzen abgewogen, das ist beim Menschen nicht anders als beim Tier. Wählt zum Beispiel ein Raubvogel sein Frühstück aus, schlägt auf der Nutzenseite der erwartete Nährwert der Beute und bei den Kosten die für den Beutefang notwendige Stoffwechselenergie zu Buche. Welche Gehirnbereiche solche Kosten-Nutzen-Analysen bei Menschen und höheren Tieren steuern, war bisher jedoch kaum bekannt.

Markierter Zucker und Entscheidungsaufgaben

Forscher des Biologischen Instituts der Universität Stuttgart und des Max-Planck-Instituts für neurologische Forschung in Köln haben nun eine Methode entwickelt, die eine Lokalisierung der beteiligten Gehirnbereiche ermöglicht. In jetzt im „Journal of Neuroscience“ veröffentlichten Experimenten an Ratten haben sie sie erfolgreich getestet und dabei bereits wichtige Erkenntnisse über die Lage des „Entscheidungszentrums“ gewonnen.

Für die Untersuchung verabreichten die Wissenschaftler einer Laborratte zunächst eine Flüssigkeit mit Zuckermolekülen, die geladene Teilchen (Positronen) aussenden. Die markierten Zuckermoleküle reichern sich vor allem in den Gehirnarealen an, deren Stoffwechselaktivität erhöht ist. Danach musste das Tier verschiedene Aufgaben absolvieren, in denen die Forscher das Kosten-Nutzen-Verhältnis der jeweils verfügbaren Entscheidungen systematisch variierte. Die Stoffwechselaktivität des Gehirns wurde anschließend mithilfe einer Mikro-Positronenemissionstomographie (Mikro-PET) bestimmt und die daraus errechneten Schnittbilder mit durch Magnetresonanztomographie (MRT) entstandenen Bildern des Gehirns überlagert, um eine genauere Lokalisierung zu ermöglichen.

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„Stirnhirn“ trifft Entscheidung

Die Aufnahmen zeigen, dass vor allem der vorderste Teil der Hirnrinde, der Präfrontalcortex, während der Aufgaben und noch direkt danach aktiv war. Offenbar liegt hier die Schlüsselstruktur eines Schaltkreises, der Entscheidungen steuert und abwägt, ob sich eine Handlung unter Kosten-Nutzen-Aspekten „lohnt“. Diese Erkenntnis ist nicht nur für die Entwicklung neurobiologischer Modelle relevant, sondern auch für die Humanmedizin. Denn bei zahlreichen neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen ist genau diese Art der Entscheidungsfindung gestört. Interessant sind sie darüber hinaus für andere Wissenschaftsdisziplinen, die sich mit Entscheidungsabläufen beschäftigen, so für die Psychologie und die Wirtschaftswissenschaften.

(Universität Stuttgart, 06.08.2010 – NPO)

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