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Geowissen

Rätsel um Sumatra- Beben 2004 gelöst

Bruchzone mit zwei geologisch unterschiedlichen Bereichen

Schema der Verwerfung mit den beiden Bruchzonen der Beben von 2004 und 2005. Der Bruch von 2005 ereignete sich näher an der Küste und löste daher nur einen kleinen Tsunami aus. © Nicolle Rager Fuller / National Science Foundation

Das Erdbeben im Dezember 2004 vor Sumatra war ungewöhnlich zerstörerisch, ein zweites Beben an der gleichen Verwerfung drei Monate später dagegen nicht. Warum, hat ein internationales Forscherteam jetzt herausgefunden. Wie sie in „Science“ berichten, gibt es entscheidende geologische Unterschiede zwischen den betroffenen Bereichen der Verwerfung. Diese haben auch verhindert, dass das Beben von 2004 noch stärker und damit verheerender ausfiel.

Als am frühen Morgen des 26. Dezember 2004 an einer geologischen Verwerfung vor Sumatra die Erde bebte, löst dies einen Tsunami aus, der mehr als 230.000 Menschen tötete und Millionen obdachlos machte. Drei Monate später ereignete sich ein weiteres starkes Beben an der gleichen Verwerfung, aber unmittelbar südlich des Epizentrums von 2004. Diesmal blieb der resultierende Tsunami klein. „Viele wunderten sich, warum das Beben von 2004 so stark war“, erklärt Sean Gulick, Geophysiker an der Universität von Texas in Austin. „Aber eine vielleicht viel interessantere Frage ist: Warum war es nicht noch stärker? Warum ereignete sich der Bruch in zwei Ereignissen anstatt in einem?“

Seismische Messungen in der Bruchzone

Dies haben nun Gulick und Kollegen aus Großbritannien, den USA und Indonesien im Rahmen einer Expedition auf dem Forschungsschiff Sonne genauer untersucht. Dabei nutzten sie seismische Instrumente, die die Reflektion künstlich erzeugter Schallwellen im Gestein unter dem Meeresboden auffingen und daraus Rückschlüsse über die geologische Struktur des Untergrunds ermöglichten. Die Messungen entlang der sehr flach verlaufenden Verwerfung ergaben eine ganze Reihe ungewöhnlicher Eigenschaften in Bezug auf die Topografie des Meeresbodens, die Verformung der Sedimente und die Epizentren der Nachbeben.

Schallwellen verraten Unterschied

Aber nicht nur das, die Forscher stießen auch auf einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Bruchzonen. In dem beim Beben von 2004 gebrochenen Teilstück zeigten die Aufnahmen eine ungewöhnlich helle und damit starke Reflektion der Schallwellen, während das 2005 betroffene Gebiet dunkel blieb. Nach Ansicht der Forscher deutet dies auf deutliche Veränderungen in der Zusammensetzung des Gesteins oder der Verwerfung zwischen beiden Regionen hin. Sie könnten erklären, warum sich die aufgestaute Spannung nicht in einem durchgehenden Bruch entladen konnte, sondern in zwei getrennten Ereignissen.

Für die ohnehin schon stark gebeutelte Region war dies – so seltsam es klingt – ein Glücksfall. Denn wenn die beiden Verwerfungssegmente gleichzeitig gebrochen wären, hätte dies ein um ein Drittel stärkeres Beben zur Folge gehabt. Im Vergleich: Die Energie des ersten Bebens entspricht der Sprengkraft von etwa 1,8 Milliarden Kilogramm TNT. Wäre das zweite dazu gekommen, hätte dies der Sprengkraft von 2,4 Milliarden Kilogramm TNT entsprochen.

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Stärkere Bewegung seewärts

Die jetzt entdeckten Unterschiede in der Zusammensetzung können auch die sehr viel stärkeren Auswirkungen des Bebens von 2004 erklären. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Verwerfung beim Beben von 2004 über einen sehr viel weiteren Teil der Plattengrenze „rutschte“ und sich dabei weiter seewärts bewegte als 2005. Weil dabei der Untergrund stärker in Bewegung war und sich auch der Meeresboden stärker verformte, löste dies auch einen sehr viel stärkeren Tsunami aus.

Die jetzt in dieser eher ungewöhnlichen und extrem erdbebengefährdeten Region gewonnen Erkenntnisse geben auch wertvolle Aufschlüsse über die Geophysik und Mechanismen von Erdbeben allgemein und könnten auch für die Prognose des Risikos in anderen Regionen der Welt nützlich sein. „Indem wir die Parameter verstehen, die eine bestimmte Region in Bezug auf Tsunamis und Erdbeben stärker gefährdet, können wir auch das potenzielle Risiko anderer Plattengrenzen besser ansprechen“, so Gulick. „Wir müssen noch weiter untersuchen, was die Größe von Erdbeben begrenzt und welche Eigenschaften zur Tsunamibildung beitragen.“

Video: Geophysiker Sean Gulick von der Universität von Texas erklärt die Ergebnisse

(National Science Foundation (NSF), 09.07.2010 – NPO)

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