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Nanotechnologie

Tiere durch Nanopartikel ferngesteuert

Forscher nutzen magnetische Partikel, um gezielt Zellfunktionen zu stören oder zu stimulieren

Heng Huang (rechts) und Professor Arnd Pralle im Labor © University of Buffalo

Neu entwickelte magnetische Nanopartikel können dazu eingesetzt werden, das Verhalten von Ionenkanälen, Nervenzellen und selbst von Tieren fernzusteuern. Dass dies funktioniert, haben jetzt amerikanische Physiker in Experimenten belegt. Wie sie in „Nature Nanotechnology“ berichten, ließe sich diese Technologie anwenden, um beispielsweise Gehirnzellen gezielt zu stimulieren oder um in der Krebstherapie spezifische Proteine in Geweben zu zerstören.

Nanopartikel als konfigurierbare Nanosonden

Sie sind gerade einmal sechs Nanometer klein, bestehen aus einer Verbindung von Eisen, Mangan und Sauerstoff und reagieren auf ein Magnetfeld, in dem sie sich erwärmen. Außerdem lassen sie sich gezielt so konfigurieren, dass sie sich nur an bestimmte Proteine in einer Zellmembran anlagern. Und genau diese Kombination von Eigenschaften könnte die jetzt von einem Forscherteam der Universität von Buffalo entwickelten Nanopartikel zukünftig zu einem idealen Werkzeug der Medizin, aber auch der Nanotechnologie machen.

Denn durch ihre Fähigkeit, gezielt bestimmte Gewebe und Zellkomponenten aufzusuchen, wirken die Partikel wie winzige Nanosonden. Und weil sie sich auf Kommando, nur durch ein äußeres Magnetfeld angeregt, auf rund 34°C erhitzen lassen, können sie an ihrem Wirkort sowohl stimulierend als auch störend wirken. Dass dies konkret funktioniert, demonstrierten die Forscher um den Physiker Arnd Pralle in gleich mehreren Experimenten.

Schmerzrezeptor per Magnetfeld angeschaltet

In einem brachten sie die Nanopartikel dazu, sich gezielt an die Zellmembran von embryonalen Nierenzellen anzulagern. In der Membran sitzen so genannte Capsaicin-Rezeptoren (TRPV1), für die Schmerzwahrnehmung und zahlreiche weitere Funktionen wichtige Ionenkanäle. Bei Anschalten eines Radiofrequenz-Magnetfelds etwa von der Stärke, wie es in der Magnetresonanz-Tomografie verwendet wird, reagierten die Nanopartikel mit einer Erwärmung. Diese wiederum aktivierte die Ionenkanäle, führte zu einem Kalziumeinstrom und damit zu einer spezifischen Reaktion der Zellen.

Gehirnzellen ferngesteuert

In einem ähnlichen Versuch stimulierten die Forscher durch die Nanopartikel-Magnet-Methode in Kultur gehaltene Gehirnzellen. Allein durch Anschalten des Magnetfelds konnten sie Aktionspotenziale und damit Nervensignale auslösen. Dass sich die Nanopartikel bei alldem tatsächlich einfach nur aufheizten, kontrollierten die Wissenschaftler durch ein mit diesen gekoppeltes Fluoreszenzmittel, dass bei Erwärmung begann zu leuchten. „Unsere Methode ist bedeutsam, weil sie uns erlaubt, gezielt nur die Zellmembran zu erwärmen“, erklärt Pralle. „Dabei gibt es keine Temperaturveränderung im Inneren der Zelle.“

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Erwärmte Nanopartikel und lösten beim Wurm eine Vermeidungsreaktion aus © University of Buffalo

Fadenwurm ändert Verhalten „auf Kommando“

In einem weiteren Experiment wollten die Forscher testen, ob diese Manipulation auch am lebenden Objekt, in diesem Fall am Fadenwurm Caenorhabditits elegans, möglich ist. Sie konfigurierten die Nanopartikel dafür so, dass diese sich an Sinneszellen nahe der Mundpartie des Wurms anlagerten. Wenn sie das äußere Magnetfeld anschalteten, erwärmten sich die Nanopartikel und lösten beim Wurm eine Vermeidungsreaktion aus, wie in einem Video deutlich zu sehen ist.

„Man kann im Video erkennen, dass die Würmer zunächst normal herumkriechen. Wenn wir das Magnetfeld anschalten, das die Nanopartikel auf 34 °C aufheizt, kehren die meisten Würmer um“, erklärt Pralle. „Wir können diese Methode nutzen, um sie vor und zurück zu dirigieren. Jetzt müssen wir noch herausfinden, welche anderen Verhaltensweisen auf diese Weise beeinflusst werden können.“

Breite Anwendung in der Medizin denkbar

Der Versuch an den Nematoden demonstriert jedoch nicht nur, dass sich das Verhalten von Lebewesen mit dieser Methode beeinflussen lässt, er zeigt auch, dass sich die Nanopartikel auch am lebenden Objekt genau dort positionieren lassen, wo sie wirken sollen. „Indem wir eine Methode entwickeln, die es uns ermöglicht, Magnetfelder zu nutzen um Zellen in vitro und in vivo zu stimulieren, kann diese Forschung dazu beitragen, die Signalnetzwerke zu entschlüsseln, die das Verhalten von Tieren kontrollieren“, so Pralle.

Nach Ansicht der Forscher eröffnen die Nanopartikel breite Anwendungsmöglichkeiten. In der Krebstherapie könnten sie eingesetzt werden, um gezielt Proteine oder Zellen in bestimmten Geweben auszuschalten. In der Diabetesbehandlung könnten sie Pankreaszellen dazu stimulieren, mehr Insulin zu produzieren. Bei neurologischen Krankheiten, die durch mangelnde Reaktion bestimmter Rezeptoren der Nervenzellen verursacht werden, könnten die Nanopartikel diese ebenfalls gezielt stimulieren.

Link

Fadenwurm-Video

(University of Buffalo, 07.07.2010 – NPO)

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