Wenn Blutgefäße im Gehirn Fehlbildungen aufweisen, kann das gefährlich werden, deshalb wurden sie bisher meist chirurgisch entfernt. Jetzt haben Wissenschaftler die Ursache für diese so genannten Kavernome identifiziert und damit einen Weg zur medikamentösen Behandlung eröffnet. Wie sie in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) berichten, ist ein gestörter Signalweg in Endothelzellen, die das Innere der Blutgefäße auskleiden, verantwortlich.
Gutartige Gefäßfehlbildungen, sogenannte Kavernome, können in vielen Geweben des Körpers auftreten. Diese Fehlbildungen zeichnen sich durch stark erweiterte, instabile und unstrukturierte Blutgefäße aus. Medizinische Bedeutung haben vor allem Kavernome im Gehirn, die sich bei etwa
einem von zweihundert Menschen entwickeln. Wenn sie wachsen, machen sie sich meist durch unspezifische Symptome wie Kopfschmerz oder Schwindel bemerkbar. Dabei steigt die Gefahr von Gehirnblutungen aus diesen Gefäßwucherungen, was zu Krampfanfällen, neurologischen Ausfällen bis hin zum Schlaganfall führen kann. Daher werden Kavernome, die Symptome verursachen, nach Möglichkeit chirurgisch aus dem Gehirn entfernt.
CCM1-Gen sorgt für Fehlbildungen – aber wie?
Eine Forschergruppe der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums hat nun untersucht, wie sich Blut- und Lymphgefäße bei Tumorerkrankungen neu bilden. Bereits bekannt war, dass die Krankheit entsteht, wenn in den Endothelzellen, die alle Blutgefäße auskleiden, das Gen CCM1 ausfällt. Warum dies jedoch zu den charakteristischen Missbildungen führt, war bisher nicht geklärt. Das Forscherteam identifizierte nun gemeinsam mit Kollegen aus Essen und Greifswald, welche zentralen Signalwege in Endothelzellen durch den Verlust des CCM1-Gens beeinträchtigt werden.
Menschliche Endothelzellen in Mäusen getestet
Um die beim Menschen auftretende Erkrankung besonders gut simulieren zu können, transplantierten die Wissenschaftler menschliche Endothelzellen mit ausgeschaltetem CCM1-Gen in Mäuse. Die transplantierten Zellen wuchsen daraufhin zu den typischen Gefäßwucherungen aus. So konnten die Experimente im Mausmodell an menschlichen Blutgefäß-Fehlbildungen durchgeführt werden. „Unsere aktuellen Ergebnisse zeigen, dass – ähnlich wie in Tumoren – überschüssiges und unkontrolliertes Gefäßwachstum zur Entstehung von Kavernomen führt“, erklärt der Leiter der aktuellen Untersuchung, Andreas Fischer.
Krebsmedikament bremst Wucherung
Daher lassen sich die Ergebnisse gut auf die Situation bei der Erkrankung des Menschen übertragen, so dass zum Beispiel auch Medikamententests durchgeführt werden konnten. In einem ersten Ansatz prüften die Forscher das Krebsmedikament Sorafenib, das die Neubildung von Blutgefäßen hemmt. Bei den transplantierten Mäusen führte die Substanz zu einem massiven Rückgang der Gefäßwucherung. “Wir wollen nun prüfen, ob wir mit einem Medikament aus der Krebsmedizin Kavernome im Gehirn
auch ohne Operation behandeln können“, erklärt Fischer die zukünftigen Ziele des Projekts.
(Deutsches Krebsforschungszentrum, 23.06.2010 – NPO)