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Biologie

Singvögel: Hormone beeinflussen Lebensgeschwindigkeit

Mehr Stresshormone bei langlebigen, sich langsam vermehrenden Arten

Ein Fleckenbrustwaldwächter (Hylophylax n. naevioides) legt nur zwei Eier pro Versuch, kann aber 18 Jahre alt werden © MPI für Ornithologie / Christian Ziegler

Ob ein Vogel „schnell“ lebt und in seine Fortpflanzung investiert oder aber „langsam“ und auf Langlebigkeit und ein starkes Immunsystem setzt, hängt von dem Hormoncocktail ab, den er in sich trägt. Wie Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society of London B” berichten, hängt die Lebensgeschwindigkeit mit der unterschiedlichen Konzentration des Stresshormons Kortikosteron und des Fortpflanzungshormons Testosteron im Blut der Vögel zusammen.

Menschen, Fische, Reptilien und Vögel haben in ihrem Blut die gleichen Hormone mit sehr ähnlichen Funktionen. Warum aber findet man in manchen Vogelarten Hormonwerte, die um das Zehnfache höher sind als in anderen? Und das obwohl sie von den gleichen Hormonen gesteuert werden? Die Hormone Kortikosteron und Testosteron spielen bei Vögeln eine große Rolle bei der Fortpflanzung und in Stresssituationen.

Viele Eier – „schnelles“ Leben

So steigt beispielsweise die Kortikosteron-Konzentration im Blut rapide, wenn ein Fressfeind in der Nähe auftaucht. Der Organismus bereitet sich dann auf die Flucht oder einen Kampf vor. Das Hormon Testosteron steuert hingegen das Balz- und Territorialverhalten. Unbekannt war bisher, warum sich so unterschiedliche Mengen der Hormone bei verschiedenen Vogelarten finden. Ein Team von internationalen Wissenschaftlern um Michaela Hau vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell hat dies nun genauer untersucht.

„Seit 2002 vermuten meine Kollegen Bob Ricklefs und Martin Wikelski, dass den Lebensgeschwindigkeiten von Tieren bestimmte interne Steuerungsprozesse wie hormonelle Ursachen zugrunde liegen“, erklärt Hau. So legt etwa eine Kohlmeise bis zu zwölf Eier pro Brutversuch, lebt aber nur wenige Jahre – diese Art lebt „schnell“. Der gleich große Fleckenbrustwaldwächter dagegen, eine Vogelart des panamesischen Regenwaldes, legt nur zwei Eier pro Versuch, kann aber über 18 Jahre alt werden – er lebt „langsam“.

Blutproben und Lebensweise untersucht

Für die aktuelle Studie untersuchten die Wissenschaftler die Hormonkonzentrationen von 24 Singvogelarten in Nord- und Mittelamerika während der Fortpflanzungszeit. Den frisch gefangenen männlichen Tieren entnahmen die Forscher etwas Blut aus der Flügelvene. Nach 30 Minuten baten sie erneut zur Blutspende und ließen die Tiere anschließend wieder frei. Da die Kortikosteron-Ausschüttung erst nach drei Minuten nachweisbar ist, erhielten sie so Werte aus einer stressfreien und einer Gefahrensituation. Die Blutwerte kombinierten die Forscher unter Mitarbeit von Autor Jeff Brawn von der Universität von Illinois mit den Daten über jährliche Überlebensraten, Dauer der jährlichen Fortpflanzungsphase und Körpergröße jeder Art.

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Mehr Stresshormone bei „langsamen“ Arten

Es zeigte sich, dass langlebige Vogelarten nach einer Stressphase eine größere Menge Stresshormon in ihrem Blut hatten als kurzlebige Arten. „Diese Ergebnisse legen nahe, dass die vermehrte Ausschüttung von Kortikosteron während gefährlicher Situationen Prozesse unterstützt, die das Überleben sichern“, erklärt Hau. Die Testosteronwerte hingegen waren höher in Arten aus nördlicheren Gebieten mit kurzer Brutsaison, die stark in die zeitlich limitierte Fortpflanzungsphase investieren müssen – die „schnelllebigen“ Vögel.

„Ich hätte nicht erwartet, dass wir die große Variation in den Blutwerten mit der Lebensweise der Arten in Zusammenhang bringen können. Die Ergebnisse haben weitreichende Bedeutung für das Verständnis der Evolution von Hormonen und von Regelprozessen, die eine Anpassung der Lebensgeschichte an Umweltbedingungen ermöglichen“, so Hau. Das Forscherteam möchte diese Ergebnisse nun mit den Befunden anderer Kollegen zusammenbringen, um den Zusammenhang zwischen Immunfunktion, Energiestoffwechsel und Lebensgeschichte zu untersuchen.

(Max-Planck-Gesellschaft, 21.06.2010 – NPO)

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