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Neurobiologie

Fehlendes Protein macht Frauen stressempfindlicher

Rezeptor im Gehirn reagiert bei Frauen effektiver und ohne Dämpfung

Frauen reagieren empfindlicher auf Stress © SXC

Frauen reagieren anders auf Stress als Männer – und das hat einen handfesten physiologischen Grund: Ein für die Stressreaktion wichtiger Rezeptor im Gehirn reagiert bei Frauen effektiver, zudem fehlt ihnen ein für die Dämpfung der Reaktion wichtiges Protein. Das zeigt eine jetzt in „Nature“ veröffentlichte Studie an weiblichen und männlichen Ratten. Die gängige Praxis, Studien zu psychopathologischen Erkrankungen nur an männlichen Tieren durchzuführen, kann daher zu falschen Ergebnissen führen.

Stressbedingte Erkrankungen wie Depression oder Post-Traumatische Störungen treten deutlich häufiger bei Frauen als bei Männern auf. Dass dies nicht einfach nur psychisch bedingt ist, sondern einen handfesten biomolekularen Grund hat, das haben jetzt Forscherinnen des Children’s Hospital of Philadelphia herausgefunden. Sie injizierten einen Botenstoff des Gehirns, den Corticotropin-freisetzenden Faktor (CRF) nicht, wie sonst in der biomedizinischen Forschung oft üblich, ausschließlich in männliche Versuchstiere, sondern in Ratten beiderlei Geschlechts.

Rezeptor-Reaktion unterschiedlich

Die Substanz, die normalerweise die physiologische Reaktion des Körpers und das Verhalten bei Stress reguliert, wirkt, wie sich zeigte, deutlich verschieden bei Männchen und Weibchen: Die Gehirnzellen im Gehirn der weiblichen Ratten wurden bereits von Dosierungen aktiviert, die zu niedrig waren, um bei den Neuronen der Männchen eine Reaktion hervorzurufen. Die Ursache für die unterschiedliche Reaktion fanden die Forscherinnen im Rezeptor für das CRF: Er bindet die Substanz im weiblichen Gehirn effektiver und bewirkt dadurch eine stärkere Reaktion bei geringeren Auslösern.

Dämpfungsmechanismus nur bei Männern

Zusätzlich verfügt das männliche Gehirn offenbar über einen internen Dämpfungsmechanismus: wenn die männlichen Ratten Stress ausgesetzt wurden, passten sich ihre Gehirnzellen an, indem sie das normalerweise außen auf der Zelle sitzende CRF-Rezeptorprotein nach innen verlagerten. Als Folge sank die Zahl der bindungsfähigen Rezeptoren im Gehirn und damit auch der Effekt des CRF. Bei den Weibchen funktionierte dieser Mechanismus dagegen nicht oder nur sehr eingeschränkt. Ihnen fehlt ein Protein, das für das nach innen Verlagern des Rezeptorproteins nötig ist.

Studien an beiden Geschlechtern nötig

Nach Ansicht der Forscherinnen könnte dies erklären, warum sich Frauen zum einen oft sensibler auf Stress reagieren und zum anderen auch schlechter an Stress anpassen oder gewöhnen können. Ihrer Meinung nach sind die Ergebnisse aber auch in anderer Hinsicht bedeutsam: Die meisten Studien zur stressbedingten Psychopathologie und zur Entwicklung entsprechender medikamentöser Therapien werden an Männern oder männlichen Tieren durchgeführt. Da aber nun geklärt sei, dass die Gehirne beider Geschlechter auf molekularer Ebene unterschiedlich reagieren, müsse dies zukünftig stärker in Betracht gezogen werden.

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(Nature, 21.06.2010 – NPO)

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