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Neurobiologie

Architektur des Raumgedächtnisses entschlüsselt

Forschern gelingt Durchbruch beim Verständnis des menschlichen Gedächtnisses

Aufbau des Gedächtnistests: A. Blick auf die Schatzinsel mit den verschiedenen Orientierungsmarken, B. Kernspintomographie des Gehirns einer Patientin mit einer Läsion im CA1 Areal des Gedächtniszentrums des Hippocampus während einer transienten globalen Amnesie (TGA), C. Landkarte der Schatzinsel, D. ‚Spuren’ einer Patientin auf Schatzsuche während eines Gedächtnisverlustes. © UK S-H

Mithilfe neuer Untersuchungen ist es Neurowissenschaftlern gelungen, die Hirnareale zu identifizieren, die für die Speicherung des Raumgedächtnisses verantwortlich sind. Sie stellen ihre Ergebnisse jetzt in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“ vor.

Wenn wir uns an den Standort des Küchentisches bei den Großeltern erinnern oder wenn wir in einer fremden Stadt den Parkplatz unseres Autos wiederfinden, so bedarf es dazu einer großen Gedächtnisleistung des Gehirns, das eine spezielle „geistige“ Landkarte erstellt. Diese muss detailliert genug sein, um markante Punkte zu umfassen.

Bislang war unbekannt, wie unser Gehirn diese Leistung erbringt. Offenbar wird bei dieser Gedächtnisleistung ein spezielles Areal im Gedächtniszentrum, dem Hippocampus, eines besonderen Hirnteiles im Schläfenlappen benötigt. Diese Region ist nur wenige Millimeter groß und heißt CA1-Region.

Patienten auf Schatzsuche

Ein interdisziplinäres Team der Kliniken für Neurologie und Psychiatrie im Forschungsverbund Neurowissenschaften der Kieler Medizin um Dr. Thorsten Bartsch konnte diese Frage nun beantworten. Dies gelang die Mithilfe von Patienten, die an einer kurzzeitigen Neugedächtnisstörung litten, die man als vorübergehenden vollständigen Gedächtnisverlust – transiente globale Amnesie – bezeichnet.

Die Patienten mussten während einer solchen Attacke eine Schatzsuche in einem Computerspiel durchführen, die nach 14 Tagen nochmals abgefragt wurde. Wie die Forscher in Science zeigten, fanden die Erkrankten die Schatztruhe deutlich schlechter als die Gesunden. Die verantwortliche Hirnregion konnte dann mit der Kernspintomografie identifiziert werden.

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Ort der Funktionsstörung identifiziert

Die neue Studie hat damit den genauen Ort der Funktionsstörung und die Art der Gedächtnisstörung erstmals nachgewiesen. Bartsch weist darauf hin, dass damit erstmals beim Menschen eine Verknüpfung zwischen diesen Nervenzellen im Gedächtniszentrum und dem Raumgedächtnis gezeigt werden konnte – ein Befund, der bislang durch viele Experimente anderer Forschergruppen unklar geblieben war.

Das Ergebnis ist für das Verständnis des menschlichen Gedächtnisses von großer Bedeutung, weil es erstmals die Architektur und die Bedeutung von speziellen Nervenzellen beim Raumgedächtnis aufzeigt. Darüberhinaus erlaubt es, viele Symptome von Gedächtnisstörungen besser zu verstehen und damit die gezielte Entwicklung neuer Therapien bei Gedächtniskrankheiten, so Professor Dr. Günther Deuschl, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK S-H).

(idw – Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK S-H), 14.06.2010 – DLO)

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