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Biologie

Temperatur-Gedächtnis der Pflanzen hält sechs Wochen

Blüh-Gen identifziert saisonale Temperaturtrends

Blüten der Hallerschen Schaumkresse und ein bestäubendes Insekt © Universität Zürich

Ein einzelnes Gen hilft Pflanzen dabei, saisonale Klimaentwicklungen zu registrieren und ihre Blütezeit darauf abzustimmen. Es registriert die Temperatur der letzten sechs Wochen und beeinflusst die pflanzliche Entwicklung entsprechend. Diese jetzt in detr Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences “ (PNAS) veröffnetlichte Erkenntnis ermöglicht es, das Blühverhalten der Pflanzen zu modellieren und mögliche Konsequenzen des Klimawandels auf pflanzliche Ökosysteme vorauszusagen.

Viele Pflanzen blühen im Frühjahr, da sie die längere Kälteperiode des vorangegangenen Winters erkennen können. Dabei müssen Pflanzen unempfindlich sein gegenüber kurzfristig schwankenden Temperaturen, wie sie aufgrund des Tag-Nacht-Rhythmus oder von Wetterveränderungen über mehrere Tage respektive Wochen auftreten. Diese Temperaturschwankungen sind oft dem saisonalen Trend entgegenlaufend und müssen als solche erkannt werden. Ohne ein Langzeitgedächtnis für vorangegangene Temperaturen wäre es für Pflanzen schwierig, die richtige Saison für die Blüte zu erkennen.

Asiatische Variante von Arabidopsis untersucht

Der Pflanzenbiologe Professor Kentaro Shimizu und sein Doktorand Masaki Kobayashi von der Universität Zürich haben nun in Zusammenarbeit mit einem japanischen Forscherteam einen Weg gefunden, den internen Status von Pflanzen zu messen. Forschungsobjekte waren Pflanzen der Spezies Arabidopsis halleri (Hallersche Schaumkresse), die sich vom Tiefland bis hin zu alpinen Regionen in Europa und Ostasien ausgebreitet hat. Diese Art ist eine nahe Verwandte des genetischen Modellorganismus Arabidopsis thaliana, in welchem die genetischen Grundlagen der Blütenentwicklung bereits ausgiebig untersucht wurden.

Ein Gen als Hauptschalter für Blüte

In diesem Modell ist bekannt, dass das FLC-Gen ein Hauptschalter im Netzwerk ist, welches die Blütezeit bestimmt. Dennoch war unklar, wie die Blütezeit unter natürlichen Bedingungen reguliert wird. Denn im Gegensatz zu den sonst verwendeten Gewächshäusern gibt es in der Natur kurzfristige Temperaturschwankungen und langfristige saisonale Trends. Um eine Antwort zu finden, isolierten die Forscher als erstes das FLC-Gen aus Arabidopsis halleri und wiesen nach, dass es auch in diesem Organismus die Blütezeit reguliert. Danach entnahmen sie von sechs in der Natur wachsenden Individuen dieser mehrjährig blühenden Speziesregelmäßig Gewebeproben und bestimmten die Aktivität dieses Gens. Und zwar über zwei Jahre hinweg jede Woche, auch unter extremen Wetterbedingungen wie Schnee, Gewitter oder Sturm.

Sechs Wochen-Muster

Die Messungen ergaben, dass das regulatorische System dieses Gens Informationen über vorherrschende Temperaturen der letzten sechs Wochen gespeichert hat. Durch statistische Analyse über zwei Jahre hinweg zeigte sich, dass man 83 Prozent der Variation der FLC-Expression durch die Temperaturen der vorangegangenen sechs Wochen erklären kann, nicht aber durch die Temperaturen

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über längere oder kürzere Zeiträume.

Die Praxistauglichkeit dieses Modells konnte mit Experimenten nachgewiesen werden, in denen Pflanzen künstlich unterschiedlichen Temperaturbedingungen ausgesetzt wurden. Dabei variierte die Expression des FLC-Gens entsprechend den modellbasierten Vorhersagen. Die mathematischen Modelle, welche die genetischen Grundlagen der Blütezeit berücksichtigen, können also mithelfen, die Reaktion von Pflanzen auf den Klimawandel vorherzusagen.

(Universität Zürich, 08.06.2010 – NPO)

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