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Neurobiologie

Koffein kann Angst auslösen

Genetisch bedingte Rezeptorvariante reagiert auf „Muntermacher“ mit Angstgefühlen

Koffein macht nicht nur wach, bei Menschen mit einer bestimmten Genvariante kann die in Kaffee, Tee und Energydrinks enthaltene Naturdroge sogar Angst auslösen. Das stellte ein internationales Forscherteam jetzt in einer großen Studie fest. Sie enthüllte auch den Einfluss von Entzugserscheinungen auf Aufmerksamkeit und Befinden.

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Kaffee, Tee und Energy-Drinks: Weltweit konsumieren Menschen Koffein, um morgens wach zu werden oder abends fit zu bleiben. Wer sich vom Kaffeeautomaten durch den Tag begleiten lässt, gewöhnt sich schnell an die Effekte – und muss schon bei kurzem Entzug mit Müdigkeit, Kopfschmerzen und nachlassender Konzentration rechnen. Den Zusammenhang zwischen Koffein, Angst und Aufmerksamkeit, Gewöhnungseffekten und Genetik hat eine internationale Forschergruppe aus Bristol, London, Würzburg und Münster nun näher untersucht.

Gentests bei Kaffeekonsum und im Entzug

An der Studie nahmen 379 Personen teil. Eine Hälfte davon konsumierte gewöhnlich wenig oder gar kein Koffein, bei der anderen Hälfte lag der Konsum im mittleren bis hohen Bereich – umgerechnet mindestens etwa eine Tasse Kaffee am Tag. 16 Stunden lang verzichteten alle Teilnehmer vollständig auf Koffein. Danach wurde ihnen entweder Koffein oder ein Placebo verabreicht und das gefühlte Maß an Angst, Aufmerksamkeit und Kopfschmerzen bestimmt.

Rezeptorvariante verstärkt Angst

Gleichzeitig führten die Forscher Genuntersuchungen durch. „Schon vor einigen Jahren konnte mit Beteiligung münsterscher Forscher nachgewiesen werden, dass eine genetische Variante im Adenosin-A2A-Rezeptor Einfluss auf die gefühlte Angst hat“, erläutert Christa Hohoff von der Universität Münster, eine Hauptautorin der Studie. „An diesem Rezeptor dockt das Koffein im menschlichen Gehirn hauptsächlich an.“ Die Biologin analysierte im Labor für Molekulare Psychiatrie der Uni-Klinik die unterschiedlichen Rezeptor-Varianten.

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Bei der Studie bestätigte sich, dass Personen mit einer bestimmten Gen-Ausstattung in ihrer Angst stärker durch Koffein beeinflusst werden. Vom Konsum hält sie das offenbar nicht ab: Die Probanden mit der speziellen Rezeptorvariante nehmen durchschnittlich sogar mehr Koffein zu sich. Das führt wiederum zu einer Gewöhnung und dadurch zu einer Abnahme des Angstgefühls.

Aufmerksamkeit nur bis Normalwert erhöht

Bekamen die Studienteilnehmer mit höherem Koffeinkonsum nach den 16 Stunden Entzug ein Placebo verabreicht, reagierten sie mit Kopfschmerzen und deutlich verringerter Aufmerksamkeit. Eine Koffeingabe dagegen verhinderte Kopfschmerzen und hob gleichzeitig die Aufmerksamkeit an – aber nur bis zum Basalwert, also auf das Niveau, das die Studienteilnehmer mit geringerem Konsum ohnehin auch in der Placebo-Bedingung hatten.

Entzugserscheinungen „wegtrinken“

„Ein regelmäßiger Koffeinkonsum scheint vor allem den negativen Effekten des Entzugs entgegenzuwirken“, so Hohoff. Wer Kaffee oder Tee trinkt, wird dadurch zwar durchaus aufmerksamer, aber eben nur relativ zu seinem niedrigeren Ausgangslevel als regelmäßiger Konsument. Dass Koffein die Aufmerksamkeit dauerhaft steigert, ist wohl eine Illusion.

Hohoff interessiert sich vor allem für die Frage, inwieweit Genetik die menschliche Psyche beeinflusst – wie bei den hier beobachteten Angst-Effekten. Auf ihren eigenen Morgenkaffee verzichtet sie trotz der Studienergebnisse nicht: „Ich mag den gefühlt belebenden Effekt, man hat die Illusion, aufmerksamer zu werden.“ Die Studie wurde nun in der renommierten Fachzeitschrift „Neuropsychopharmacology“ veröffentlicht.

(Universität Münster, 07.06.2010 – NPO)

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