Viele Prozesse in unserem Körper werden durch nachträgliche Veränderungen von Proteinen gesteuert. Diese aufzuspüren ist daher entscheidend für die Erforschung unseres Organismus. Wissenschaftler haben jetzt einen weiteren entscheidenden Beitrag dazu geleistet: Mit einer neuen Methode haben sie über 6.000 Proteinstellen in verschiedenen Geweben identifiziert, die durch die Bindung von Kohlenhydraten an einzelne Aminosäuren modifiziert sind. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Cell“ berichten, konnten sie damit eine wichtige Grundlage für das bessere Verständnis aller Lebensvorgänge schaffen.
Zahlreiche biologische Mechanismen wie die Immunabwehr, der programmierte Zelltod oder die Entstehung von Krankheiten beruhen darauf, dass einzelne Bausteine von Proteinen, die Aminosäuren, nachträglich verändert werden. Diesen Prozess nennen Wissenschaftler posttranslationale Proteinmodifikation. Obwohl sich die Technologien im Bereich der Proteinforschung in den letzten Jahren rasant entwickelt haben, war es Forschern bisher nur eingeschränkt möglich, solche modifizierten Proteinstellen zu identifizieren.
Alles auf Zucker
Vor allem die Veränderung von Proteinen durch Glykosylierung – die Bindung von Kohlenhydraten an einzelne Aminosäuren – war weitgehend unerforscht. Doch gerade sie ist einer der bedeutendsten Mechanismen zur Veränderung von Proteinen und spielt eine wichtige Rolle beim Aufbau komplexer Organe und Organismen. Unterlaufen bei der Proteinmodifikation Fehler oder findet sie unkontrolliert statt, hat das oft Krankheiten wie zum Beispiel Alzheimer oder die Prionkrankheit zur Folge.
Forscher entwickeln neue Methode
Jetzt konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biochemie Licht ins Dunkel bringen: Sie haben eine auf Massenspektrometrie basierende Methode entwickelt, die die Identifikation von N-glykosylierten Proteinstellen in verschiedenen Geweben ermöglicht. Die N-Glykosylierung ist eine spezifische Form der Glykosylierung, bei der die Kohlenhydrate an einen bestimmten Proteinbaustein, die Aminosäure Asparagin – abgekürzt mit „N“ -, binden.
Die neu entwickelte Methode beruht auf einem Filterverfahren, mit dem auch schwer zugängliche Proteine aus biologischem Material extrahiert werden können. Dieses Verfahren kombinierten die Forscher mit dem Einsatz hochauflösender Massenspektrometer, wodurch es ihnen gelang, 6.367 N-glykosylierte Proteinstellen zu identifizieren. Außerdem konnten sie bestimmte regelmäßig wiederkehrende Abschnitte, so genannte Sequenzmotive, herausarbeiten, die künftig als Erkennungsmuster für modifizierte Proteine dienen können.
Ursachen von Alzheimer auf der Spur
Diese Erkenntnisse stellen nach Angaben der Wissenschaftler wichtige Fortschritte für die Proteomik dar, denn sie helfen dabei, die Vorgänge innerhalb des menschlichen Körpers besser zu verstehen. Zudem könnten sie auch für die Erforschung von Krankheiten eine zentrale Rolle spielen. So gelang es den Forschern, einige veränderte Proteinstellen zu identifizieren, die mit verschiedenen Erkrankungen in Zusammenhang stehen: Zum Beispiel entdeckten sie bisher unbekannte N-Glykosylierungsstellen an Proteinen, die eine wesentliche Rolle bei der Alzheimer-Krankheit spielen.
Da die N-Glykosylierung an vielen Prozessen beteiligt ist, die bei Alzheimer gestört sind, vermuten die Wissenschaftler, dass diese Form der Proteinmodifikation die Erkrankung direkt verursacht oder zumindest entscheidenden Einfluss auf ihren Verlauf nimmt. Die Ergebnisse dieser Studie könnten somit für die weitere Erforschung der Krankheit von entscheidender Bedeutung sein und als Basis für mögliche Therapieansätze dienen, so die Hoffnung der Max-Planck-Forscher.
(MPG, 01.06.2010 – DLO)