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Chemie

Silizium bringt Sauerstoff auf Touren

Weltweit erste Herstellung von stabilen ringformigen Siliziumperoxid- und Silanonkomplexen mit einer Silizium-Sauerstoff-Doppelbindung

Matthias Drieß bei der Arbeit © Dahl / TU Berlin

In der neuen Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Chemistry“ berichten Berliner Forscher über eine erfolgreiche Aktivierung von Sauerstoff durch Silizium. Mithilfe eines Tricks ist ihnen die weltweit erste Herstellung von stabilen ringformigen Siliziumperoxid- und Silanonkomplexen mit einer Silizium-Sauerstoff-Doppelbindung gelungen.

Zweiwertiges Silizium kann gezielt und unter milden Bedingungen das so genannte Disauerstoffmolekül der Luft aktivieren. Im ersten Schritt bildet sich ein extrem energiereiches ringförmiges Siliziumperoxid mit einem SiO2-Ring, der anschließend mindestens ein Sauerstoffatom auf eine andere Verbindung übertragen kann. Dieser SiO2-Ring war aber bisher nur bei extrem tiefen Temperaturen von – 233 °C in einer Argon-Matrix stabil. Der extrem gespannte SiO2-Dreiring konnte also nur durch Superkühlung vor dem Zerfall bewahrt

werden.

Matthias Drieß, Professor für Chemie an der Technischen Universität Berlin, und seine Mitarbeiter haben nun erstmals mithilfe eines chemischen Tricks ein bei Raumtemperatur stabiles ringförmiges SiO2-Molekül hergestellt und isoliert. Dazu stabilisierten sie den SiO2-Ring durch ein Elektronen spendendes Carbenteilchen und bildeten ein so genanntes Carben-Cyclosiliziumperoxid-Addukt.

Bändigung des SiO2-Dreirings

Trotz der Bändigung des hochreaktiven SiO2-Dreirings erfolgt anschließend im selben Molekül die Übertragung eines Sauerstoffatoms in die Carben-Silizium-Bindung. Dabei entsteht ein Harnstoff-Silaharnstoff-Addukt, dessen Struktur durch Einkristallröntgenbeugung aufgeklärt werden konnte. Mit der Bildung des Silaharnstoff-Addukts ging nach Angaben der Forscher gleichzeitig ein seit über 100 Jahren bestehender Traum in der Siliziumchemie in Erfüllung, nämlich eine stabile Verbindung mit einer Silizium-Sauerstoff-Doppelbindung – ein Silanon – in Flaschen füllen zu können.

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Durch die neuen Ergebnisse werden in der Silizium-Sauerstoffchemie und bei der Aktivierung von Disauerstoff neue Maßstäbe gesetzt, die auch für eine katalytische Sauerstoffaktivierung und selektive Oxidation von organischen Stoffen und den Aufbau von Polymeren eine Bedeutung haben könnten.

Gezielte Aktivierung des Disauerstoffmoleküls

Die gezielte Aktivierung des Disauerstoffmoleküls gehört zu den wichtigsten Prozessen in der Natur und in der chemischen Produktion, wobei überwiegend Metalle wie Kupfer, Gold, Platin oder Palladium zum Einsatz kommen. Die Reaktionsträgheit von molekularem Sauerstoff – ein Grund dafür, dass Papier nicht spontan brennt – hängt mit der elektronischen Struktur des Disauerstoffmoleküls zusammen.

Die Natur verwendet hochkomplexe Metalloproteine für die Aktivierung von Disauerstoff, um diesen für die schrittweise Oxidation von organischen Stoffen in der Biochemie und zur Energieerzeugung in Zellen verfügbar zu machen. Wenn sich ein Disauerstoffmolekül an ein Metallzentrum eines Enzyms oder Katalysators bindet, wird das ausgesprochen träge Disauerstoffmolekül aktiviert, die Sauerstoff-Sauerstoff-Bindung geschwächt oder gar gespalten und ein Sauerstoffatom gezielt übertragen. Sauerstoff ist allgegenwärtig und ein notwendiger Rohstoff für die chemische Industrie. Die Suche nach alternativen Aktivatoren, um teure und toxische Schwermetalle zu ersetzen, ist daher von großer ökonomischer Bedeutung.

Silizium ohne Ende

Drieß und seine Kollegen beschreiben nun in Nature Chemistry erstmals eine nichtmetallische Alternative zur Disauerstoffaktivierung auf der Basis von reichlich verfügbaren Ressourcen: Silizium ist ein ungiftiges Element und zentraler Bestandteil von Sand und mit zwei Drittel der Masse der Erdkruste nach Sauerstoff das zweithäufigste chemische Element.

(idw – Technische Universität Berlin, 01.06.2010 – DLO)

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