Ein Steuerungsgen namens „Wuschel“ ist der zentrale Schalter, über den Pflanzen die Anzahl ihrer Stammzellen regulieren. Mehr als 700 Gene stehen unter der Kontrolle dieses Schalters, wie ein internationales Forscherteam jetzt in „Developmental Cell“ berichtet. Dabei sind auch überraschende Gemeinsamkeiten mit der Stammzellkontrolle bei Tieren zutage getreten.
Pflanzen müssen, um die eigene Fortpflanzung zu sichern, die Zahl ihrer Stammzellen genau ausbalancieren. Das für diese Aufgabe wichtigste Gen haben jetzt Forscher aus Heidelberg, Tübingen und Santa Fe in Argentinien bei Experimenten an einem Modellorganismus der Biologie, der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, detailliert untersucht. Im Fokus der Arbeiten stand ein als „Wuschel“ bezeichnetes Steuerungsgen, dessen entscheidende Bedeutung für die Stammzellkontrolle bereits vor 14 Jahren entdeckt wurde. „Wuschel ist der zentrale Schalter, über den Pflanzen die Anzahl ihrer Stammzellen regulieren“, erläutert Professor Jan Lohmann von der Universität Heidelberg.
Die Biologen konnten nun fast 700 Gene ausmachen, deren Aktivität von Wuschel abhängt. Rund 130 davon stehen offenbar direkt unter der Kontrolle dieses zentralen Schalters: Als sogenannter Transkriptionsfaktor heftet sich Wuschel an regulatorische Bereiche der DNA, die diese Gene direkt anschalten oder stilllegen können. Dabei handelt es sich vor allem um Gene, die für den Stoffwechsel der Pflanze, für ihre Entwicklung und für ihren Hormonhaushalt zuständig sind. Diese Aufgabenverteilung bestätigt zunächst das bisherige Bild der pflanzlichen Stammzellkontrolle.
Wuschel sorgt für Balance zwischen Pflanzenhormonen
„Es ist bekannt, dass neben genetischen Faktoren auch wachstumsfördernde Hormone wie Auxin und Cytokinin daran mitwirken, die Zahl der Stammzellen zu regulieren“, so Lohmann. Die Heidelberger Experimente, die in das Exzellenzcluster „Cellular Networks“ eingebunden sind, bieten jedoch auch eine Vielzahl neuer Einblicke. So hat sich gezeigt, dass Wuschel nicht nur – wie bereits nachgewiesen – die Aktivität von Cytokinin beeinflusst, sondern auch auf den zweiten hormonellen Hauptakteur, Auxin, einwirkt. Eine wesentliche Aufgabe des Wuschel-Gens besteht demnach darin, die feine Balance zwischen diesen beiden Hormonen in der Sprossspitze der Pflanzen aufrechtzuerhalten.
Ähnlichkeiten mit tierischen Steuergenen
Mit ihrer Arbeit weisen die Heidelberger Biologen dem Wuschel-Gen eine klare Rolle zu: In den Wachstumszonen der Pflanze stimmt es die Wirkung frei zirkulierender Hormone so auf die lokalen Bedürfnisse ab, dass Stammzellen gedeihen können. „Erst solche Mechanismen machen es möglich, dass ein und dasselbe Hormon in verschiedenen Geweben unterschiedliche Wirkungen entfaltet“, sagt Jan Lohmann.
Die umfangreiche Analyse hat auch gezeigt, dass Wuschel ähnlich arbeitet wie tierische Transkriptionsfaktoren, die an der Entstehung und Erneuerung von Stammzellen beteiligt sind. Dabei nutzt das Steuerungsgen teilweise auch identische DNA-Bereiche als Ankerpunkt.„Die Mechanismen der Stammzellkontrolle sind ähnlicher als wir gedacht haben“, betont Lohmann.
(Universität Heidelberg, 21.05.2010 – NPO)