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Astronomie

Ältester Galaxienhaufen des Kosmos entdeckt

Hinweis auf Verschmelzung von massereichen Galaxiengruppen in der Frühzeit des Universums

Dieses Falschfarbenbild hat eine Seitenlänge von 3,4 Bogenminuten (etwa ein Zehntel des Monddurchmessers). Die Pfeile deuten auf Galaxien, die sich wahrscheinlich in gleicher Entfernung befinden; sie häufen sich in der Bildmitte. Die Konturlinien entsprechen der Röntgenleuchtkraft des Haufens. Galaxien mit einer bestätigten Entfernungsmessung von 9,6 Milliarden Lichtjahren sind durch Kreise hervorgehoben. Die Kombination der Röntgendaten und massereichen Galaxien beweist, dass es sich um einen gravitativ gebundenen Haufen handelt. © MPI für extraterrestrische Physik

Ein internationales Astronomenteam hat den bisher ältesten Galaxienhaufen des Universums entdeckt: Mit 9,6 Milliarden Lichtjahren Entfernung stammt er aus den Anfängen des Universums. Die Beobachtungen im Infrarot- und Röntgenlicht zeigten, dass der Haufen hauptsächlich aus alten, massereichen Galaxien besteht, die auf eine Verschmelzung mehrerer Galaxiengruppen hindeuten. Den Astronomen liefert dies wertvolle Informationen über die frühe Galaxienentwicklung und die Anfänge des Universums.

Galaxien stehen nicht isoliert im Weltraum, sie sind meist Teil einer größeren Struktur, der Galaxienhaufen. In diesen sind bis zu einigen tausend Einzelgalaxien durch die Gravitation miteinander verkoppelt, so dass sie sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in einem gemeinsamen Schwerefeld bewegen. Unsere Galaxie, die Milchstraße, ist beispielsweise Teil des Virgo-Haufens, der aus 1.000 bis 2.000 Galaxien besteht. Einen Einblick in die Entstehung und Entwicklung solcher Galaxienhaufen können die Astronomen durch die Beobachtung von sehr weit entfernten Strukturen dieser Art gewinnen. Denn das Licht solcher Galaxien und -haufen war, wenn es die Erde erreicht, bereits Millionen oder Milliarden Jahre unterwegs, wir sehen deshalb eine Situation, die weit in der Vergangenheit liegt.

9,6 Milliarden Lichtjahre entfernt

Ein internationales Team aus Astronomen vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der Universität Tokio und der Universität Kyoto haben nun einen Galaxienhaufen entdeckt, der weiter entfernt ist als alle bisher bekannten. Mithilfe von Beobachtungen des Subaru/XMM-Newton-Deep-Feldes im Röntgenbereich konnten sie die Einzelgalaxien als Haufenmitglieder identifizieren und durch Infrarot-Beobachtungen mit dem Subaru-Teleskop deren Entfernungen messen. Die Kombination der Beobachtungen in diesen beiden Wellenlängenbereichen führte zu der bahnbrechenden Entdeckung des Galaxienhaufens in einer Entfernung von 9,6 Milliarden Lichtjahren – etwa 400 Millionen Lichtjahre weiter entfernt und damit weiter in die Vergangenheit zurück als der vorherige „Rekordhalter“.

Entfernungsbestimmung durch Infrarotlicht

Das MOIRCS-Instrument (Multi-Object Infrared Camera and Spectrometer) am Subaru-Teleskop arbeitet im Nah-Infrarotbereich, wo diese Galaxien am leuchtstärksten sind. Infrarot-Wellenlängen sind für das bloße Auge unsichtbar, aber für solche Messungen nötig, da sich weit entfernte Galaxien aufgrund der Ausdehnung des Universums schnell bewegen und ihr Licht dadurch vom sichtbaren zum infraroten Wellenlängenbereich verschoben wird.

„Das MOIRCS-Instrument hat eine extrem hohe Leistungsfähigkeit, wenn es darum geht, Abstände von Galaxien zu bestimmen; nur dadurch waren unsere schwierigen Beobachtungen möglich“, erklärt Masayuki Tanaka von der Universität Tokio. „Obwohl wir bei dieser Distanz nur einige Galaxien nachweisen konnten, gibt es überzeugende Hinweise, dass es sich wirklich um einen gravitativ gebundenen Haufen handelt.“

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Röntgenstrahlung belegt Schwerkraftbindung

Dass die einzelnen Galaxien wirklich durch die Schwerkraft zusammengehalten werden, wird durch Beobachtungen in einem anderen Wellenlängenbereich gestützt. Die Materie zwischen den Galaxien in Haufen wird auf extreme Temperaturen aufgeheizt und emittiert Licht bei Wellenlängen, die viel zu kurz sind um sie mit bloßem Auge sehen zu können. Das Team nutzte deshalb das XMM-Newton-Weltraumobservatorium um diese Strahlung im Röntgenbereich nachzuweisen.

„Obwohl es schwierig war, die Röntgenphotonen mit einer effektiven Spiegelgröße zu sammeln, die nur etwa der eines Gartenteleskops entspricht, konnten wir klar die Handschrift des heißen Gases im Haufen nachweisen“, so Alexis Finoguenov vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik.

Haufen entstand durch Verschmelzung

Eine Analyse der Beobachtungsdaten der einzelnen Galaxien zeigt zudem, dass der Haufen bereits eine Fülle an alten, massereichen Galaxien enthält, die etwa zwei Milliarden Jahre früher entstanden sind. Während alte Galaxien rötlich scheinen, sind junge, durch eine aktive Sternenbildung hell blau leuchtende Galaxien relativ selten. Da sich die dynamischen Prozesse der Galaxien-Alterung langsam vollziehen, bedeutet die Anwesenheit der alten Galaxien, dass der Haufen durch die Verschmelzung von massereichen Galaxiengruppen entstanden ist, wobei jede Verschmelzung zu einer massereichen Galaxie führte. Der Haufen ist deshalb ein ideales Labor, um die Entwicklung von Galaxien zu untersuchen, als da Universum gerade einmal ein Drittel seines jetzigen Alters hatte.

Da entfernte Galaxienhaufen außerdem die großräumigen Strukturen im Universum und ursprüngliche Dichtefluktuationen widerspiegeln, werden diese und ähnliche Beobachtungen in Zukunft wichtige Informationen für Kosmologen liefern. Die bisherigen Ergebnisse zeigen bereits, dass die derzeitigen Infrarotgeräte detaillierte Informationen über weit entfernte Galaxien liefern können, und dass die Kombination mit Röntgendaten ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Das Team wir die Suche nach weit entfernten Galaxienhaufen deshalb fortsetzen.

(Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, 11.05.2010 – NPO)

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