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Biologie

Gebirgskröten leben gefährlich

Chytridpilz bedroht vor allem Amphibien in höheren Lagen

Tote Geburtshelferkröte (Alytes obstetricians): Dies ist eine typische Folgeerscheinung durch den Tod durch Bd, die Kröte zeigt keinerlei Verletzung, zieht sich unter einen Stein zurück, verendet und trocknet aus. © Dirk Schmeller / CNRS

Geburtshelferkröten im Gebirge leben gefährlich. Ihr Risiko, an der Amphibienseuche Chytridiomykose, die durch den so genannten Chytridpilz ausgelöst wird, zu erkranken und zu sterben, ist wesentlich höher als bei ihren Artgenossen im Flachland. Dies hat jetzt ein internationales Wissenschaftlerteam im EU-Projekt RACE herausgefunden.

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Danach sind in den höheren Lagen bereits bis zu 100 Prozent der Kröten an dieser Krankheit verendet, schreiben die Forscher im Fachblatt „Ecology Letters“. Ob der Chytridpilz besser an kältere Regionen angepasst ist oder ob das Immunsystem der Kröten dort empfindlicher reagiert, ist jedoch noch ungeklärt.

Fünf Jahre lang hatten die Forscher in ihrer neuen Studie die Verbreitung des Chytridpilz-Erregers bei der Gemeinen Geburtshelferkröte Alytes obstetricians in Frankreich, Spanien und Portugal untersucht. Dabei sammelten sie Hautproben von über 3.000 Kaulquappen und Kröten von 126 Stellen aus verschiedenen Höhenlagen auf der Iberischen Halbinsel.

Gefährliche Infektionskrankheit Chytridiomykosis

Geburtshelferkröten haben ihren Namen von einer Besonderheit bei der Fortpflanzung: Die Männchen tragen den Laich mehrere Wochen mit sich herum. Zur Tiergruppe der Geburtshelferkröten gehören mehrere Arten, die von Nordwestafrika bis ins östliche Harzvorland verbreitet sind.

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Auch in Europa sind Amphibien mittlerweile durch die Infektionskrankheit Chytridiomykosis bedroht, die durch den Chytridpilz-Erreger Batrachochytrium dendrobatidis, kurz Bd, verursacht wird, der sich in der Haut der Amphibien einnistet. Da Amphibien zu großen Teilen über die Haut atmen, ist diese Erkrankung – neben der Vernichtung von Feuchtgebieten – eine der Ursachen für den schnellen Artenrückgang und das Aussterben von Amphibien auf fünf Kontinenten.

Es ist nach Angaben der Forscher klar, dass der Erreger bereits knapp ein Drittel der Populationen und Arten quer über Europa infiziert hat. Inzwischen zeichnet sich auch ab, dass die Folgen ähnlich katastrophal sein könnten wie in Nord- und Südamerika: von einem starken Rückgang der Amphibien bis hin zur lokalen Ausrottung. Trotz dieser Anzeichen werden die Auswirkungen dieser Seuche auf die biologische Vielfalt immer noch verkannt.

Wissenschaftler der Station d'Ecologie Expérimentale du CNRS bei der Probenahme an einem Bergsee in den französischen Pyrenäen. Ort: in der Nähe des Hochtales Bassies, Vicdessos, Ariege. © Dirk Schmeller / CNRS

Amphibien in Not

Die neue Studie ist eines der ersten Ergebnisse aus dem EU-Projekt RACE (Risk Assessment of Chytridiomycosis to European amphibian biodiversity). „Chytridiomykose ist ein ernstes Problem für Amphibien weltweit. Um zu verhindern, dass die Seuche auf gesunde Populationen überspringt, müssen potentielle Ausbreitungswege aufgezeigt werden und in Zusammenarbeit mit betroffenen Interessengruppen soll geklärt werden, welche Maßnahmen auf deren Unterstützung aufbauen können“, erklärt Klaus Henle vom Department Naturschutzforschung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig.

RACE bewertet die Gefahren, die der Chytridpilz für die Amphibien in Europa darstellt. Einer der Schwerpunkte liegt in der Region Pyrenäen – also im Grenzgebirge zwischen Frankreich und Spanien. Die Untersuchungen dort werden von Dirk S. Schmeller koordiniert, der früher am UFZ forschte und jetzt am französischen Forschungszentrum CNRS in Moulis arbeitet.

Akzeptanz von Artenschutzmaßnahmen wird untersucht

Zusammen mit Wissenschaftlern am UFZ wird er im Frühjahr beginnen, die Akzeptanz von verschiedenen Artenschutzmaßnahmen bei Bewohnern und Besuchern der Pyrenäen zu untersuchen. „Die Gewässer in den Pyrenäen, in denen wir besonders viele erkrankte Tiere gefunden haben, liegen an Wanderwegen und werden oft von Touristen aufgesucht. Es könnte also sein, dass Besucher die Seuche ungewollt an ihren Schuhen von Gewässer zu Gewässer verbreiten“, fürchtet Schmeller. Das Aussetzen von Fischen durch Angler könnte ähnliche Folgen haben. „Bevor wir jedoch Naturschutzmaßnahmen den zuständigen Behörden vorschlagen, müssen wir ein genaueres Bild zur Akzeptanz haben“, fügt Schmeller hinzu.

Die Daten und Ergebnisse von RACE sollen verwendet werden, um ein einheitliches EU-weites Überwachungssystem zu schaffen, Kooperationen anzuregen und Informationen über die Chytridiomykose weiter zu verbreiten. Auf diese Weise wird RACE Hinweise liefern, wo Schutzmaßnahmen am nötigsten sind, um die Auswirkungen des Chytridpilzes zu verringern und die Vielfalt an Amphibien zu schützen.

Auch Amphibien in Deutschland betroffen?

Bei den Geburtshelferkröten auf der Iberischen Halbinsel war ein Viertel der Populationen bereits an der Seuche erkrankt. Über die Situation in Deutschland kann momentan nur spekuliert werden. In den nächsten Monaten wollen die Forscher, zusammen mit Kollegen an der Universität Trier und des Naturhistorischen Museums in Berlin, daher einen Überblick zur Verbreitung des Chytridpilzes hierzulande erstellen. Das Team am UFZ wird hierzu auch Vorschläge für Politik und Naturschutz erarbeiten, und dazu beitragen, dass RACE Ergebnisse möglichst schnell in Naturschutzrecht und -maßnahmen umgesetzt werden können.

(idw – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, 15.04.2010 – DLO)

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