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Astronomie

Planetentheorie auf den Kopf gestellt

Studie: Manche Exoplaneten umlaufen ihren Stern „verkehrt herum“

Künstlerische Darstellung eines Exoplaneten auf einer rückläufigen Umlaufbahn. © L. Calçada / ESO

Auf dem britischen National Astronomy Meeting haben Forscher heute die Entdeckung von gleich neun neuen Exoplaneten bekannt gegeben. Dabei handelt es sich um so genannte Transitplaneten, die von der Erde aus gesehen vor ihrem Stern vorüberlaufen. Die nähere Untersuchung dieser und 18 weiterer Transitplaneten sorgte zudem für eine große Überraschung: Sechs der Planeten umrunden ihren Mutterstern nicht in derselben Richtung, in der sich der Stern um seine eigene Achse dreht, sondern in entgegengesetzter Richtung.

Das stellt nach Angaben der Wissenschaftler die gängigen Theorien zur Planetenentstehung vor ein ernstes Problem. Weiterhin legen die Untersuchungen nahe, dass es unwahrscheinlich ist, in Exoplanetensystemen mit so genannten „Hot Jupiters“ – heiße, jupiter-ähnliche Planeten – auch erdähnliche Planeten zu finden.

„Auf dem Gebiet der extrasolaren Planeten werden unsere Ergebnisse wie eine Bombe einschlagen“, sagt Amaury Triaud vom Observatorium Genf, der zusammen mit seinem Kollegen Didier Queloz und Andrew Cameron von der schottischen University of St. Andrews den wichtigsten Teil der Beobachtungskampagne leitete.

Projekt „Wide Angle Search for Planets“

Planeten entstehen in Scheiben aus Gas und Staub, die junge, gerade erst entstandene Stern umgeben. Eine solche protoplanetare Scheibe und ihr Zentralstern rotieren gemeinsam um ein und dieselbe Drehachse, die senkrecht zur Scheibe steht. Daher hat man bisher erwartet, dass sich die Planeten, die sich in der Scheibe bilden, sämtlich in der Scheibenebene um den Stern laufen sollten, und zwar in der gleichen Richtung, in der sich auch der Stern um sich selbst dreht. Bei den Planeten in unserem Sonnensystem ist dies tatsächlich der Fall.

Nach dem Nachweis der neun neuen Exoplaneten im Rahmen des Projektes „Wide Angle Search for Planets“ (WASP) nutzte ein Astronomenteam den HARPS-Spektrografen am 3,6 Meter-Teleskop der ESO am La Silla-Observatorium in Chile, um die Entdeckungen zu bestätigen. Mit diesen und zusätzlichen Daten des Schweizer Leonard-Euler-Teleskops, das sich ebenfalls auf La Silla befindet, und weiterer Teleskope, untersuchten die Astronomen dann die Eigenschaften dieser neun sowie 18 weiterer Transitplaneten, die aus vorangehenden Studien bekannt waren.

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Alte und neue Beobachtungsdaten kombiniert

Beim Kombinieren der neuen und alten Beobachtungsdaten stellten die Astronomen überraschenderweise fest, dass bei mehr als der Hälfte der untersuchten Planeten – Hot Jupiters – die Umlaufbahn gegen die Drehachse des Sterns verkippt ist. Sechs der in dieser erweiterten Studie enthaltenen Planeten – zwei davon gehören zu den Neuentdeckungen – zeigen sogar eine rückläufige Bewegung: Sie umlaufen ihren Stern „verkehrt herum“.

„Unsere Ergebnisse widersprechen der gängigen Vorstellung, dass Planeten ihren Mutterstern immer in derselben Richtung umlaufen sollten, in der sich der Stern um sich selbst dreht“, erklärt Cameron.

Seit vor 15 Jahren die ersten Hot Jupiters entdeckt wurden, war ihre Herkunft ein Rätsel. Hot Jupiters sind Planeten, mit Massen ähnlich groß oder größer der des Jupiter, die sich sehr nahe an ihren Muttersternen befinden und dadurch stark aufgeheizt werden. Man nimmt an, dass sich der Kern eines solchen Gasriesen aus einer Mischung aus Gesteins- und Eispartikeln bildet. Solche Partikel finden sich allerdings nur in den kalten Außenbereichen eines Planetensystems. Die Hot Jupiters entstehen daher, den gängigen Vorstellungen nach, weit weg von ihrem Stern und wandern im Anschluss nach innen, bis sie ihre endgültigen Umlaufbahnen nahe am Stern erreicht haben.

Gravitatives Tauziehen

Im üblichen Modell wird die Wanderung nach innen durch Schwerkraftwechselwirkungen mit der Staubscheibe hervorgerufen, aus der die Planeten entstehen. In diesem Szenario dauert die Wanderung einige Millionen Jahre, und die Umlaufbahnen der Planeten sind danach in natürlicher Weise werden dabei entlang der Drehrichtung des Sterns um sich selbst ausgerichtet. Anschließend könnten sich dann erdähnliche Gesteinsplaneten bilden. Dieses Modell hat allerdings einen entscheidenden Nachteil: Die neuen Beobachtungsdaten sind damit nicht vereinbar.

Um auch rückläufige Exoplaneten in die Wanderungstheorie einbinden zu können, muss man annehmen, dass die Nähe der Hot Jupiters zu ihren Sternen nicht durch Wechselwirkung mit der Staubscheibe zustande kommt, so die Wissenschaftler. Nach einer alternativen Theorie käme als Mechanismus ein langsamerer Prozess über mehrere 100 Millionen Jahre in Frage, eine Art gravitatives Tauziehen mit weiter entfernten Planeten oder Begleitersternen des Muttersterns.

Dramatischer Nebeneffekt

Nachdem solche Störungen einen großen Exoplaneten auf eine geneigte und langgestreckte Umlaufbahn bugsiert haben, würde er durch Gezeitenreibung bei jeder nahen Begegnung mit dem Stern Energie verlieren. Schließlich würde der neue Hot Jupiter auf einer beinahe kreisförmigen, aber willkürlich gegenüber der Hauptebene des Planetensystems geneigten Umlaufbahn nahe des Sterns enden. „Ein dramatischer Nebeneffekt dieses Prozesses wäre, dass sich in solchen Systemen keine kleineren erdähnlichen Planeten halten könnten“, ergänzt Queloz.

Bei zwei der neuentdeckten rückläufigen Planeten hat man tatsächlich zusätzliche, weiter entfernte Begleiter gefunden, die die ungewöhnliche Orientierung der Umlaufbahn verursacht haben könnten. Diese neuen Funde werden eine intensive Suche nach weiteren Himmelskörpern in anderen Planetensystemen auslösen, vermuten die Forscher.

(Europäische Südsternwarte – ESO, 13.04.2010 – DLO)

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